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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Haberditzl, Franz Martin: Studien über Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0307
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Studien über Rubens.

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Fig. 31. Zeichnungsreproduktion eines Sarkophags mit Amazonenschlacht (Ausschnitt).

Rom, Vatikan.

wirkten. Man merkt deutlich, daß die Komposition der «Amazonenschlacht» (Fig. 3o) ohne Kenntnis von
Lionardos «Reiterkampf um die Fahne» und Tizians «Cadoreschlacht» nicht entstanden sein kann.
Wichtig ist, daß der Künstler zweifellos auch die antiken Sarkophagreliefs kannte und Einzelelemente
daraus in seiner Darstellung verwertete. Nicht wie im Meleagerbilde das Wesentliche, das Grundmotiv,
sondern nur charakterisierende Details. Man geht gewiß nicht fehl in der Annahme, Rubens habe
einen der interessantesten Sarkophage mit der Amazonendarstellung, nämlich den jetzt fragmentarisch
im Museo Chiaramonti des Vatikans befindlichen,1 als Vorlage für seine Entlehnungen benützt (Fig. 3i
und 32). Seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts befand sich der Sarkophag, damals und gewiß noch Ende
des XVI. Jahrhunderts vollständig erhalten, im Vatikan. Wir besitzen Zeichnungen aus dieser Zeit, die
uns über den Erhaltungsstand des Objekts genau orientieren. Diese können wir heranziehen, um festzu-
stellen, was Rubens von der antiken Darstellung übernahm. Wir sehen, daß ihn nur ein bestimmtes
Problem daraus interessierte. Im Gegensatz zur antiken Aurfassung, die Kämpfer zu Fuß mit den (zu-
meist) reiterlosen Pferden zu gruppieren, will der Künstler einen
richtigen Reiterkampf, einen Kampf zu Pferde wiedergeben. Diese
Absicht resultiert offenbar aus dem Studium der genannten Vorbilder
Lionardos und Tizians. In diesem Sinne macht er charakteristische
Einzelmotive des Reliefs seiner Komposition nutzbar. Das auf den
Hinterbeinen sich aufstellende Pferd, in Rückenansicht, mit rechts
gewendetem Kopfe (Fig. 3i links) — eine überaus lebendige Darstel-
lung — verwendet er im Kampf auf der Brücke (rechts von der Mitte),
dann das im Profil gesehene Tier im Gegensinn, links von der Mittel-
gruppe (auf der Zeichnung in der Mitte) und das fortstürmende
Tier (dessen Motiv auf dem Relief allerdings nur angedeutet ist; eine
Kämpfergruppe zu Fuß ist vor das Pferd gestellt, von dem nur Kopf,

Brust und Vorderbeine sichtbar sind: Fig. 32) rechts von der Brücke.2 Doch Rubens wertet diese
Vorlagen völlig um; das Zufällige der übernommenen Motive gewinnt für seine Darstellung prinzi-
pielle Bedeutung. Denn mit den drei Motiven stellt er drei der bedeutsamsten Phasen des Reiterkampfes
überhaupt dar. Auf dem im Profil gesehenen heransprengenden Pferde — auf dem Relief herrenlos! —
reitet eine kämpfende Amazone zum Kampf auf der Brücke, das sich aufbäumende Pferd rechts von
der Mittelgruppe wirft die verwundete Amazone ab — auf dem Relief ist auch dieses Tier reiterlos! —
und von dem fortstürmenden Pferde weiter rechts ist die tödlich getroffene Amazone herabgesunken.

Während die Übernahme des genannten Meleagermotivs eine dem Wesen nach renaissancemäßige
Lösung des Problems, die antike Vorlage als charakterisierendes Kompositionselement zu verwerten,

Fig. 32. Zeichnungsreproduktion eines
Details vom Amazonensarkophag.

Rom, Vatikan.

1 Vgl. darüber ausführlich Carl Robert, Die antiken Sarkophagreliefs, Bd. II, Tafel 33, Berlin 1890.

1 Ob die Figur des Fußkämpfers neben der Mittelgruppe der kämpfenden Reiter auf der Brücke mit einem Kämpfer
(links von dem Pferde im Profil) auf dem Relief in Zusammenhang zu bringen sei, möchte man bezweifeln; die Ähnlich-
keiten sind zu geringfügig, die Verschiedenheiten zu wesentlich.

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