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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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II. Teil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Menčík, Ferdinand: Dokumente zur Geschichte der kaiserlichen Tapezereisammlung: aus dem gräfl. Harrachschen Archive
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0387
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Dokumente zur Geschichte der kaiserlichen Tapezcreisammlung.

XXXV

Größe und ihr Preis anders angegeben wird als dort.
Dasselbe gilt von einer Serie mit 8 Darstellungen aus
der Geschichte des Achilles, deren nähere Beschreibung
in einer besonderen Spezifikation vorliegt (Reg. 20268).
Immerhin ist daraus zu ersehen, daß damals an An-
boten von Tape^ereien kein Mangel war.

Tapezereien und Historien, wie sie in den ange-
führten Verzeichnissen vorkommen, befinden sich auch
in der kaiserlichen Sammlung; doch ist angesichts des
wiederholten Auftretens derselben Serie bei der Identifi-
kation insolange große Vorsicht geboten, als über deren
Erwerbung für den kaiserliche): Hof nichts Näheres be-
kannt ist.

Wahrscheinlich ist diese bezüglich zweier Serien,
deren Liste nebst Seiden- und Porzellanwaren am
2g. September 167g von Antwerpen durch den Handels-
mann Ottavio Pestalozzi nach Wien gesendet wurde
(Reg. 2026t)). Die in dieser Liste angeführte Serie mit
der Geschichte Jakobs kann nicht mit jener identisch
sein, die Kaiser Leopold dem Grafen Harrach vor sei-
ner Abreise schenkte, da diese früher als die Absendung
der Tapezereien aus Antwerpen erfolgte und die Serie
des Grafen Harrach neun, nicht acht Stücke um-
faßte. Wir haben es vielmehr hier wahrscheinlich mit
der im Verzeichnisse der kaiserlicher! Gobelins unter
Nr. LXXV enthaltenen Serie1 mit Darstellungen aus
dem Leben des Patriarchen Jakob zu tun, die, aus dem
XVI. Jahrhundert stammend, gleichfalls 8 Stücke um-
faßte und deren Kartons noch im XVII. Jahrhundert
von Jakob van Zevnen benützt wurden. Die Bestellung
wäre demnach für den Kaiser erfolgt und Graf Harrach
bei diesem LIandel nur der Vermittler gewesen.

Auch während seines Aufenthaltes in Spanien
(167g—1677) erhielt Graf Harrach ein solches Ver-
zeichnis von Tapezereien zußesendet, das er mit eigen-
händigen Bemerkungen versah und das die Nummer 1
trägt (Reg. 20270).

Als Graf Harrach im Jahre 1677 aus Spanien
Zurückgekehrt war und das Amt des Oberststallmeisters
angetreten hatte, wurde er allem Anschein nach vom
Kaiser beauftragt, die im Handel in Brüssel zufällig
vorkommenden Gobelins für ihn anzukaufen. Kr bediente
sich bei diesen Ankäufen der Vermittlung des bis zum
Jahre 1677 von ihm als Stallmeister verwendeten Anton
Le Roy de St. Lambert, der damals in seine Heimat
nach Broechem in Belgien zurückgekehrt und auf des
Grafen Fürsprache Hauptmann im Regimente Piccolo-
mini geworden war. Dieser gab sich während der Frie-
denszeit alle Mühe, dem Wunsche des Grafen zu ent-
sprechen. Im Jahre 1682 finden wir ihn nieder bei sei-
nem Regimente; mit diesem zog er in den Türkenkrieg,
in dem er, wie es sein sehnlichster Wunsch war, im
Jahre 1684 den Heldentod gefunden hat.

Seine Korrespondenz mit dem Grafen Harrach
über die Erwerbung von Tapezereien (Reg. 20271 bis
202g2) beginnt am 25. August 1678 und endet mit dem
i5. März Begünstigt wurde die Tätigkeit Le Roys

durch den Umstand, daß im Jahre 167g der Duc de
Montalto in Brüssel starb und seine Witwe, da er sehr
verschuldet war, beschloß, seinen ganzen Nachlaß
veräußern. Darunter befand sich auch eine Tapisserie
mit der Geschichte des Kaisers Aurelian und der Ze-

' A. a. 0. II, S. rSy.

nobia, 1 die Le Roy neben einer Manege für den Mar-
chese de Grana erstand, der mit dem Grafen Harrach
in direkter Verbindung stand. Für den Grafen selbst
kaufte Le Roy einen Gobelin mit einer Darstellung der
Amazonen, der zunächst nach Prag dirigiert worden
war, wohin sich der Hof wegen der in Wien herrschen-
den Pest zu Ende des Jahres 167g über Linz geflüchtet
hatte; heute schmückt dieser Gobelin die Appartements
des gräflichen Schlosses in Prugg.

Nur von einem durch Le Roy erworbenen Stücke
ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es mit
einem Gobelin im kaiserlichen Besitze identisch ist. Es
ist jener mit dem Triumph Amors, der sich bei Richard
Calliot in Brüssel befand; er kam erst nach längeren
Verhandlungen, die sich durch die zeitweilige Abwesen-
heit Calliots in Holland verzögerten, Mitte Dezember
167g nach Wien und gehört wohl zu den im Verzeich-
nisse der kaiserlichen Tapeten unter Nr. CD ange-
führten Stücken,'2 die neben dem Triumphe Amors auch
jene der Keuschheit, des Todes, des Nachruhms, der
Zeit und der Dreieinigkeit darstellen.

Unter den sonstigen in der Korrespondenz Le Roys
enthaltenen Nachrichten über in den Niederlanden her-
gestellte oder verkäufliche Gobelins ist besonders die in
seinen letzten hier veröffentlichten Briefen vorkommende
interessant, nach der Graf Harrach den Plan gefaßt
hatte, neue Gobelins nach den erhaltenen Kartons mit
Darstellungen des Zuges Karls V. nach Tunis her-
stellen zu lassen. Diese Kartons waren bekanntlich von
Jan Vermayen, nicht von Tizian, wie Le Roy annimmt,
seit dem Juni 1S46 innerhalb 18 Monaten nach Skizzen,
die der Künstler sich als 'Teilnehmer an dem Zuge nach
Tunis an Ort und Stelle gemacht hatte, hergestellt und
darnach bis zum Jahre i554 von dem Brüsseler Tapeten-
macher Guillaume Pannemacker Gobelins angefertigt
worden, die sich nach dem heute im Generalarchive
von Simancas befindlichen Inventario de los tapices que
se entregaron a Rogier, tesorero de la reinadona Maria
de Hungria, desde 1555 a 1558 im Besitze dieser Königin
und noch heute in Madrid befinden. 3 Nach 10 dieser
Kartons, die inzwischen nach Wien gelangt waren,
wurde dann in den Jahren 1712—1721 von dem Tapeten-
fabrikanten Jodok de Vos im Auftrag Kaiser Karls VI.
eine neue Serie von Gobelins angefertigt, die noch heute
in kaiserlichem Besitze sind und in dem wiederholt er-
wähnten Inventar der kaiserlichen 'Tapezereien die
Nr. X tragen. 4 Ob die vom Grafen Harrach geplante
Serie, die also einen Vorgänger jener im Auftrage
Karls VI. angefertigten gebildet hatte, überhaupt herge-
stellt wurde und später etwa zugrunde gegangen ist,
läJJt sich vorläufig nicht feststellen, da die Korrespon-
denz Le Roys nichts weiter darüber enthält.

Ebensowenig ist bekannt, wer nach dem Einrücken
Le Roj-s zu seinem Regimente nach Böhmen sein Nach-

1 Sieben Gobelins aus dem XVI. Jahrhundert mit Darstellungen
desselben Gegenstandes erscheinen im Verzeichnis der Tapeten im
Besitze des kaiserlichen Hofes unter Nr. XLIV la. a. O. II, S. 200/;
sie wurden schon im Jahre 166G von dem Wiener Kaufmann Bar-
tholome Triangl um 7104 Gulden gekauft.

* A. a. O. II, S. 206.

3 Vgl. Eduard Ritter von Engerth, über die im kunsthistori-
schen Museum neu ^ur Aufstellung gelangenden Gemälde: Jahr-
buch II, S. 146, und desselben Autors Aufsat,: Nachtrag ^u der
Abhandlung über die im kaiserlichen Besitze befindlichen Cartone,
darstellend Kaiser Karls V. Kriegs;ug nach Tunis, von Jan Ver-
mayen: ebenda IX, S. 420.

• A. a. O. I, S. 224.
 
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