Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

DOI article:
Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0008
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
2

Karl Giehlow.

»Denkbilder« oder Embleme auch zu Zeiten besonders beliebt waren, die »unglaublich frei, dreist und
kühn« Alles heraussprachen. Gerade bei den deutschen Bildersprüchen vor und während der Refor-
mation macht Herder an anderer Stelle diese Beobachtung. Unter völlig geänderten Verhältnissen
äusserte sich also stets die gleiche Geschmacksrichtung, nur anders, dem Sinne der Zeit entsprechend,
ausgebeutet.1

Sicherlich fusst die dem Embleme eigenthümliche Verbindung von Bild und Spruch ebensosehr
auf der Uebung, »die Schilder zu bemalen, Wappen und Helme zu emblematisiren«, als auf einer Nach-
ahmung »der alten Mönchsgemälde«, wie Herder sich ausdrückt; aber dieses Weiterleben mittelalter-
licher Heraldik und Allegorie erklärt wohl die Formen einzelner Embleme, jedoch weder das sich voll-
kommen bewusste Bestreben, ganze Sätze wortgetreu in Bilder zu übersetzen, noch die plötzlich um
sich greifende Mode dieser Bildersprache. Man begreift, dass Herder sein »Warum« unbeantwortet
lassen musste.

Bei den Ausführungen ihres grossen Schöpfers scheint sich die Entwicklungsgeschichte der deut-
schen Literatur seitdem beruhigt zu haben. Auch heute, wie damals, liegt die Geschichte dieser Zeit
und dieses Geschmackes, soweit es auf eine klare Erkenntnis der treibenden Kräfte ankommt, noch
sehr im Dunkeln. Wenigstens begnügt sich Goedeke2 in seinem Grundriss mit Hinweisen auf das Ein-
wirken von Italienern, wie Alciatus, sowie auf andere französische und niederländische Quellen; und
auch die Einzelforschung3 über den für diese »Emblemateschreiber« trotz seines Spottes begeisterten
Johann Fischart stellt lediglich seine Vorliebe für homonymische Spielereien, Rebusse u. dgl. im Sinne
der künstelnden, allegorisirenden Dichtung jener Tage fest, ohne darauf näher einzugehen. Ueber-
haupt fehlt es an einer Untersuchung, welche, wie Herder es wollte, diese ganze emblematische Sucht
als Folge einer damals herrschenden Geistesrichtung nachzuweisen versuchte. Selbst die überaus
fleissigen Zusammenstellungen Greens4 über die Emblemata des Alciatus geben wohl einen Ueber-
blick über die Literatur, aus der dieser Dichterjurist schöpfte, heben jedoch die maassgebenden Ein-
flüsse nicht hervor.

Dass von Seiten der literarischen Forschung allein dem Geheimnis dieser merkwürdigen Geistes-
bewegung schwer beizukommen wäre, hat bereits Herder sicher erfasst. Er erkennt die Wechsel-
wirkung, welche der emblematische Geschmack zwischen Kunst und Dichtung hervorrufen musste, und
spricht über seinen Einfluss auf die deutsche Buchillustration goldene Worte. »Einem der Liebhaber,
Kenner und Sammler altdeutscher Kupferstiche und Holzschnitte« gibt er daher den Rath, dieser
Materie nachzugehen. Ahnend deutete er damit auf die Hilfe hin, welche eine kunstgeschichtliche
Untersuchung der Lösung dieses Räthsels bringen sollte. Dabei hatten ihn seine Untersuchungen
merkwürdigerweise fast bis an die Schwelle der Pforte gebracht, welche zur Erkenntnis führte. »Sie
verzeihen,« — so lauten seine Worte — »dass ich von den berühmten Producten unserer Sprache,
die eine kaiserliche Majestät betrafen, dem ,Theuerdank', ,Weisskunig' u. s. w. gar nicht rede. Aus
keiner anderen Ursache, als weil ich sie zu lesen bisher keine Zeit gehabt habe; wie Vieles überhaupt
hätte ich noch zu lesen und wie manches Gelesene könnte ich entbehren!«5 Nur einen Schritt weiter
und Herder hätte vor der Ehrenpforte Kaiser Maximilians I. gestanden. Ihm wäre leichter der Schlüssel

1 Ueber das Citat am Anfang vgl. Herders Werke (Hempel'sche Ausgabe), Th. XV, S. 248. Dort ist aus der fünften
Sammlung der »Zerstreuten Blätter«, deren Vorrede vom 14. Juni 1793 datirt ist, die Erläuterung Herders zu den von ihm
wieder herausgegebenen Parabeln des Joh. Val. Andreae (erschienen 1618) abgedruckt. Die andere Stelle Herders findet sich
a. a. O., S. 317, im Aufsatz über das »Andenken an einige ältere deutsche Dichter«.

2 Karl Goedeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen, Bd. II (Dresden 1883), S. 124
und S. 484.

3 Vgl. I. I. A. A. Frantzen, Kritische Bemerkungen zu Fischarts Uebersetzung von Rabelais Gargantua, in Alsatischen
Studien, Heft 3 (Strassburg 1892), und P. Besson, Emdes sur Jean Fischart (Paris 1889).

4 Henry Green, Andrea Alciati and his books of emblems, a biographical and bibliographical study (London, Trübner,
1872). Dieser Ausgabe hat Green in der Holbein Society verschiedene Facsimile-Ausgaben der Emblemata des Alciat vor-
ausgehen lassen.

' Vgl. Herder, a. a. O., S. 317.
 
Annotationen