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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0027

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

2 I

leitete ihn, bei ihrer Schilderung derart zu verweilen, dass er sich schliesslich entschuldigt, so lange
ausserhalb der Mauern des alten Rom herumgeschweift zu sein. Auch berücksichtigte er die neueste
Forschung; denn nach ausführlichen Citaten aus Plinius und Ammianus gedenkt er der Stelle des eben
der Wissenschaft wieder erschlossenen Tacitus, wonach die Aegvpter zuerst die Gedanken durch
Thierfiguren darstellten und Denkmäler dieser ältesten Art sich in Stein gehauen erhalten hätten.1
Dem Zwecke seines Werkes getreu, eine Topographie des alten Rom zu geben, bemühte er sich weiter,
nach den neuen Nachrichten die Standplätze der Obelisken festzustellen. Dabei spielte ihm Cassiodorus
einen Streich, der selbst die Obelisken des Mausoleums nicht mehr genügend von dem im Marsfeld er-
richteten zu trennen wusste. Dort sollten sich zwei befunden haben, von denen der eine dem Mond, der
andere der Sonne geweiht gewesen sei.2 Diese will Biondo in dem sallustianischen und campensischen
wiedererkennen, welche wiederum mit den beiden damals noch verborgenen Mausoleumsobelisken iden-
tisch sein sollten. Den Obelisken der sallustianischen Gärten hatte er selbst auf dem pincianischen Hügel
liegen sehen. Ueber den anderen ist der nähere Gewährsmann Plinius, dessen Nachrichten über die
Verwendung dieses Obelisken als Gnomon er genau wiedergibt, jedoch nicht ohne Kritik an die Be-
hauptung des Plinius anzulegen, dass die schliesslich eintretende Unrichtigkeit dieser Sonnenuhr in
dem veränderten Lauf der Erde ihren Grund gehabt habe. Ungeachtet dieser eingehenden Compilation
aber nicht ein Wort über Horapollon! Sollte die geringe Fühlung Biondos mit dem Freundeskreise
Poggios die Ursache sein? Möglich wäre es, dass diese Gelehrten sich die Ausnützung der geheimnis-
vollen Hieroglyphika vorbehalten hätten, aber nicht wahrscheinlich. Sicherlich wird die Kenntnis dieses
ägyptischen Buches auch zu ihm gedrungen sein; nur vermochte er sie nicht zu verwerthen, weil er
Griechisch nicht verstand. Wie er die wörtlichen Citate aus Ammianus da abbricht, wo von Hermapion
und seiner griechischen Hieroglyphenübersetzung die Rede ist, so musste er auch über Horapollon schwei-
gen, wollte er nicht als ein Berichterstatter über Schriftsteller gelten, die er notorisch nicht lesen konnte.

Dagegen haben die Humanisten, die, im Besitze griechischer Sprachkenntnisse, gleichzeitig das
Glück hatten, die Hieroglyphika zur Hand zu haben, nicht gesäumt, daraus für ihre Gelehrsamkeit
Nutzen zu ziehen. Dies trifft bei Francesco Filelfo zu. Als einmal ein gelehrter Streit darüber aus-
brach, ob die Aegypter oder Hebräer das Horologium erfunden hätten, zieht er zu seiner Entscheidung
in einem darüber aus Mailand an Francesco Scalamonti, den Biographen des Ciriaco von Ancona, im
October 1444 geschriebenen Briefe auch den Horapollon heran.3 Denn das Beispiel des Aales als eines
Sinnbildes des Neides, welches er da wählt, um die Ersetzung der Worte durch Zeichen bei den alten
Aegyptern zu erklären, stimmt in seiner Erklärung mit den Hieroglyphika überein. Filelfo scheint
bereits Parallelstellen zu ihnen gesammelt zu haben, da die zweite in dem Briefe beschriebene Hiero-
glyphe — der Hase als Sinnbild des Gehörs —■ den Symposien des Plutarch entlehnt ist.4 Man sieht,
das Interesse für hieroglyphische Studien verpflanzt sich aus Florenz in immer weitere Humanisten-
kreise. Wie Filelfo durch Notizen aus dem Horapollon seinen Landsmann in der Vaterstadt Ancona
belehrte, so brachte Ciriaco in ebendieselbe Heimat auch seine Inschriftensammlungen. Jedoch scheint
Letzterer dem schwierigen Inhalt der Hieroglyphika überhaupt nicht näher getreten zu sein, da auch
der ihm so nahestehende Bischof von Padua Petrus Donatus ein Verzeichnis wichtiger ägyptischer
Schriftsteller anlegen konnte, ohne den Horapollon zu erwähnen.5

1 Blondus, a.a.O., p. 231: »Et Cornelius Tacitus sie scribit: primi per figuras animalium Aegyptii sensus mentis
effingebanl et antiquissima monumenta memoriac humanae impressa saxis cernuntur;« vgl. Voigt, a. a. O., III. Auflage,
Bd. I, S. 25 1, Anm.

2 Ueber diese Stelle des Cassiodor vgl. die Ausführungen des Bernardo Rucellai oder Oricellarius de urbe Roma,
ed. Becuccius, in Rerum itaLscript, tom. 11 (Tartini) 1770 Florenz, p. ioo3: »sunt tarnen qui ab obeliscis arguant circensium
aliquid simile et in valle Martia (ita enim Cassiodorus appellat) celebratum, quod rectius considerantibus perfecto longe ob-
scurior locus apparebit.« Ueber Rucellai vgl. weiter unten, S. 3o.

3 Francisci Philelphi epistolae (Venetiis 1502). Auf p. 3i befindet sich zuerst ein Brief an Cato Sacco aus dem Jahre
1441 über das Horologium; auf p. 34 der oben citirte.

4 Vgl. Plutych IV, Sympos. Quaest. V, und Leemans, a. a. O., S. 445.

5 Ms. Harn. 254 der Berliner Bibliothek. Dort werden unter Anderen als Historiker: Manethon Egiptius, Cheremon
stoicus de vita antiquorum Egipti sacerdotum, Berosus, Appion historicus in libris Egiptiacis, Hieronymus Aegyptius; als
 
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