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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0028
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Karl Giehlow.

Bei Marsiglio Ficino finden sich die Bedingungen, welche zum Studium dieses Buches führen, in
gesteigertem Maasse. Mit dem Griechischen völlig vertraut, hatte er von Jugend an die mediceische
Bibliothek zur Verfügung, die mit dem Büchernachlass des Filelfo auch dessen Horapollon-Exemplar
erwarb. Vollends war er Philosoph und das Haupt der platonischen Akademie in Florenz. Wie
Piaton einst zu den ägyptischen Priestern gewandert war, so nahte sich jetzt Marsiglio dem Hora-
pollon. Je tiefer sich dieser Gelehrte in die Schriften Piatons und der Neuplatoniker versenkte, desto
mehr musste sich ihm die Bedeutung der Hieroglyphika als eines Quelles ursprünglicher Weisheit be-
festigten.

In dieser Auffassung wurde er zunächst durch die damals herrschenden Ansichten über die Ent-
stehung der Schriften des Hermes Trismegistus bestärkt. Man hatte keine Ahnung davon, dass der an-
geblich von Apulejus übersetzte Tractat de voluntate divina und das griechische, Pimander genannte
Buch de potestate et sapientia apokryphe Werke der hermetischen Literatur sind, wie sie nach Verlust
der Hieroglyphenkenntnis in Alexandrien aus der Verbindung orientalischer und neuplatonischer
Ideen hervorgingen.1 Vielmehr hatte Cosimo Medici die Uebersetzung des Pimander, dessen Hand-
schrift kürzlich erst von dem Mönche Leonardus Pistoriensis aus Macedonien nach Florenz gebracht
worden war, dem jungen Marsiglio als Anfang seiner platonischen Studien aus dem Grunde über-
tragen, weil man in dem Hermes Trismegistus den Begründer der Philosophie überhaupt erblickte.
Ganz im Sinne der Neuplatoniker galt dieser gräcisirte Mondgott der Aegypter, Tehuti oder Theut,
damals als der grösste Philosoph, grösste Priester und grösste König des alten Aegypten, also als
ter maximus. Nach der Einleitung des Ficino zu der bereits 1463 fertiggestellten Uebersetzung,
die 1471 in Treviso gedruckt und oft wieder aufgelegt wurde, hätte dieser Mercur den Argus ge-
tödtet, den Aegyptern Gesetze gegeben, die Wissenschaften gelehrt und vollends die Buchstaben in
Gestalt von Thieren und Bäumen erfunden.2 In dieser Schrift wären von ihm der Asklepius und
Pimander abgefasst und nachher in das Griechische, dessen er auch kundig gewesen, übersetzt worden.
Begreiflicher Weise ist die Bewunderung von einem so uralten Buche, seinen wichtigen Prophezeiungen
des Zusammenfalles des heidnischen Glaubens und der Entstehung des Christenthums eine ausser-
ordentliche. Sie musste sich auch auf den Horapollon übertragen, der diese ursprünglichen Buch-
staben erklärte, mit denen der Hermes Trismegistus seine Schriften geschrieben haben sollte.

Wenn auch Marsiglio nach der Leetüre des Phädrus anderer Meinung über diesen Hermes wurde
und ihn nun im Unterschiede zu einem älteren Mercur als einen göttergleich verehrten Priester be-
trachtete, so blieb doch die Ansicht, dass der Erstere nach dem Beispiele des Zoroaster mit seiner nur
den Priestern vorbehaltenen Pflanzen- und Thierbilderschrift die Säulen Aegyptens und das Heilig-
thum zu Sais beschrieben hätte, während der Hermes Trismegistus die phonetische Schrift erfunden
haben sollte.3 In dieser Auffassung bestärkte das damals dem syrischen Neuplatoniker Jamblichus zuge-
schriebene Buch über die ägyptischen Mysterien, dessen abgekürzte Uebersetzung Marsiglio gleichzeitig
mit seiner grossen lateinischen Piatonausgabe 1483 in Florenz erscheinen Hess. Darnach wanderten
wegen dieser Säuleninschriften gerade die griechischen Philosophen nach Aegypten, lernten daraus
Pythagoras und Piaton ihre Philosophie, widmeten diesem Mercur die ägyptischen Priester alle ihre
Erfindungen und entstanden so die mercurialen Bücher, die trotz ihres griechischen Philosophenstiles

Philosophen: Hermes Termegistus und Plotinus Aegiptius aufgeführt. Donatus starb 1447; vgl. Mommsen, Ueber die Berliner
Excerptenhandschrift des Petrus Donatus: Jahrbuch der kgl. preussischen Kunstsammlungen (Berlin 1883), S. 120.

1 Richard Pietschmann, Hermes Trismegistos (Leipzig 1875).

2 Marsilii Ficini Opera (Basileae 1576), p. 1836. Es heisst: »Aegyptiis praefuisse eisque leges ac literas dedisse, lite-
rarum vero characteres in animalium arborumque figuris instituisse;« dann weiter: »edidit vero librum Aegyptiis literis, idemque
(Graecae linguae peritus) Graecis inde transferendo communieavit Aegyptorum mysteria.«

3 Marsilius Ficinius, a. a. O., p. 1236: In Philebum M. F. Commentarii lib. 1, cap. 28. Dort heisst es: »Mercurius ejus
(Zoroastris) exemplo commonitus suis sacerdotibus in animalium et plantarum figuris dedit literas, ne vulgus Theologiae esset
conscium. Floruit autem in Aegyptii Naucratia, ut Plato scribit in Phaedro, quidam ex his, quos Aegyptii ut deos venerati
sunt, cujus nomen ut apud Aegyptios Theuth, apud Graecos Hermes Trismegistus . . . Cum ille . . . vocis infinitatem anim-
adverteret, medias quasdam species vocum investigavit.«
 
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