Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.
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der auf dem Kopfbehange des Elephanten eingegrabenen Worte ic6vo? vuxi s5?u(a als eine Huldigung
der Thatkraft und des Kunstfleisses der Renaissance.
Es bedürfte nicht des oben wiedergegebenen Eingeständnisses Colonnas von der später erfolgten h™°™™
Umarbeitung seines Werkes, um anzunehmen, dass die hieroglyphischen Inschriften, die vermuthlich lcr°u^p cn
^gleich mit den Obeliskenplänen zu Rom entstanden, im Laufe der Jahre noch vielfach verändert A'b«ti» Tractat
und umgestaltet wurden. Dafür spricht nicht nur die wachsende Vorliebe der Zeit für hieroglyphische „catoria,,.
Räthsel sondern auch die Bereicherung der Hypnerotomachie durch andere Hieroglyphenreihen, für
deren spätere Abfassung sich aus dem Inhalt des Buches an sich schon, vollends aus einem Vergleich
mit den von Colonna benützten Schriftstellern Mancherlei anführen lässt.
Offenbar in diese zweite Phase der Entwicklung des Liebestraumes Poliphilos gehört die »cata-
glyphia sculptura di tali hieroglyphi«, welche er auf einer Brücke vor dem Eingang dreier geheimnis-
voller Pforten erblickte. Rechts sah er »una matrona d'uno serpente
instrophilata, solum cum una nate sedente et cum l'altra gamba in acto
de levarse, cum la mano dilla sua sessione uno paro di ale et ne l'altro
del levarse una testudine teniva« (vgl. Fig. 20); links am Geländer befand
sich »uno circulo, il centro dil quäle dui spirituli tenendo cum gli pectioli
terga vertendo alla circumferentia«. Aus dem ersten Bilde las er den
Satz: »velocitatem sedendo, tarditatem tempera surgendo«, aus
dem anderen den Spruch: »medium tenuere beati« heraus.1
Hiermit gibt Colonna lediglich eine Variation des Gedankens, den
oben schon die der Titusmünze entnommenen Symbole verherrlichten,
huldigt er aufs Neue der Tugend der Mässigung. Von dem Wunsche
beseelt, seinem Leserkreise dieses Princip des Alterthums einzuschärfen,
vergisst er es aber selbst und wiederholt sich sogar insoweit, dass seine
neuen Beispiele sich wiederum auf einer Brücke befinden. Solche Ge-
dankenarmuth ist sonst Colonna fremd und wird sich hier durch die
Zufälligkeit eines späteren Einschubes erklären. Im Uebrigen beweisen
die Hieroglyphen wieder das Bestreben, sie auf Grund classischer Nach-
richten womöglich über Aegypten zu bilden. Das Flügelpaar als Sinnbild
der Schnelligkeit war Colonna vielleicht durch die Medaille Albertis gegenwärtig; sicher kannte er aus
Liodor die Hieroglyphe des Falken als »res cito facta«. Die Schildkröte als trägstes Thier schildert
ein Distichon bei Ammianus.2
Deutet sich in diesen Hieroglyphen ein nachträglicher Zusatz an, so ist vielleicht auch er\or in
besprochene Kunstgriff, das Geheimnis jener dieselbe didaktische Idee symbolisirenden Tannen- und
Lärchenreiser erst später durch Logistica enträthseln zu lassen, nichts als eine geschickte er ec tung
einer nach Niederschrift des ersten Entwurfs erworbenen Kenntnis, die sehr wahrscheinlich aus Albertis
Tractat de re aedificatoria geschöpft wurde.
Die Heranziehung dieses Werkes wird aber besonders bedeutungsvoll für den ac weis, ass in
diesem zweiten Stadium der Hypnerotomachie nach den Kaienden des Mai 1467 auc eineian ere
Hieroglyphenreihe ihre endgiltige Gestalt gewann, deren Gemeinverständlichkeit Colonna dadurch
hervorhebt, dass er diesmal ihre Zeichen nicht einzeln beschreibt sondern nur durch eine Abbildung
Wiedergibt (vgl. Fig. 21). Poliphilo entdeckte sie auf der Vorderseite eines Sarkophages und entnahm
daraus folgende Grabschrift: »Diis manibus. Mors vitae contraria et velociss.ma cuneta
r,i ,. . ,. „i„;t melliflue duos mutuo se strictim et
calcat, suppeditat, rapit, consumit, dissolvit, meiimu<-
o-j , • • •<- 3 Pc Kpfqnd sich dieses Grabmal, dessen eieen-
ardenter amantes lue extinctos conjunxit.«3 Deianu ^ , »cu eigen
Fig. 20. Hieroglyphe aus Co-
lonnas Hypnerotomachie, Poli-
phili-Aldus 1499-
Verkleinert.
1 Vgl. Hypnerotomachie, h VII. _. . - ,
* Vgl. Valerianus, Hieroglvphica, p. 20.. Hier werden noch andere Cate aufgeführt.
' Hypnerotomachie, q VII.' Valerianus handelt ausführlich über d>e einzelnen H.eroglyphen; vgl. über Di Manes,
P- 227- »invenias plerumque in veterum monumentis capita duo duabis add.t.s inferne literis DM, quod Dis Manibus sa-
XXII. 9
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der auf dem Kopfbehange des Elephanten eingegrabenen Worte ic6vo? vuxi s5?u(a als eine Huldigung
der Thatkraft und des Kunstfleisses der Renaissance.
Es bedürfte nicht des oben wiedergegebenen Eingeständnisses Colonnas von der später erfolgten h™°™™
Umarbeitung seines Werkes, um anzunehmen, dass die hieroglyphischen Inschriften, die vermuthlich lcr°u^p cn
^gleich mit den Obeliskenplänen zu Rom entstanden, im Laufe der Jahre noch vielfach verändert A'b«ti» Tractat
und umgestaltet wurden. Dafür spricht nicht nur die wachsende Vorliebe der Zeit für hieroglyphische „catoria,,.
Räthsel sondern auch die Bereicherung der Hypnerotomachie durch andere Hieroglyphenreihen, für
deren spätere Abfassung sich aus dem Inhalt des Buches an sich schon, vollends aus einem Vergleich
mit den von Colonna benützten Schriftstellern Mancherlei anführen lässt.
Offenbar in diese zweite Phase der Entwicklung des Liebestraumes Poliphilos gehört die »cata-
glyphia sculptura di tali hieroglyphi«, welche er auf einer Brücke vor dem Eingang dreier geheimnis-
voller Pforten erblickte. Rechts sah er »una matrona d'uno serpente
instrophilata, solum cum una nate sedente et cum l'altra gamba in acto
de levarse, cum la mano dilla sua sessione uno paro di ale et ne l'altro
del levarse una testudine teniva« (vgl. Fig. 20); links am Geländer befand
sich »uno circulo, il centro dil quäle dui spirituli tenendo cum gli pectioli
terga vertendo alla circumferentia«. Aus dem ersten Bilde las er den
Satz: »velocitatem sedendo, tarditatem tempera surgendo«, aus
dem anderen den Spruch: »medium tenuere beati« heraus.1
Hiermit gibt Colonna lediglich eine Variation des Gedankens, den
oben schon die der Titusmünze entnommenen Symbole verherrlichten,
huldigt er aufs Neue der Tugend der Mässigung. Von dem Wunsche
beseelt, seinem Leserkreise dieses Princip des Alterthums einzuschärfen,
vergisst er es aber selbst und wiederholt sich sogar insoweit, dass seine
neuen Beispiele sich wiederum auf einer Brücke befinden. Solche Ge-
dankenarmuth ist sonst Colonna fremd und wird sich hier durch die
Zufälligkeit eines späteren Einschubes erklären. Im Uebrigen beweisen
die Hieroglyphen wieder das Bestreben, sie auf Grund classischer Nach-
richten womöglich über Aegypten zu bilden. Das Flügelpaar als Sinnbild
der Schnelligkeit war Colonna vielleicht durch die Medaille Albertis gegenwärtig; sicher kannte er aus
Liodor die Hieroglyphe des Falken als »res cito facta«. Die Schildkröte als trägstes Thier schildert
ein Distichon bei Ammianus.2
Deutet sich in diesen Hieroglyphen ein nachträglicher Zusatz an, so ist vielleicht auch er\or in
besprochene Kunstgriff, das Geheimnis jener dieselbe didaktische Idee symbolisirenden Tannen- und
Lärchenreiser erst später durch Logistica enträthseln zu lassen, nichts als eine geschickte er ec tung
einer nach Niederschrift des ersten Entwurfs erworbenen Kenntnis, die sehr wahrscheinlich aus Albertis
Tractat de re aedificatoria geschöpft wurde.
Die Heranziehung dieses Werkes wird aber besonders bedeutungsvoll für den ac weis, ass in
diesem zweiten Stadium der Hypnerotomachie nach den Kaienden des Mai 1467 auc eineian ere
Hieroglyphenreihe ihre endgiltige Gestalt gewann, deren Gemeinverständlichkeit Colonna dadurch
hervorhebt, dass er diesmal ihre Zeichen nicht einzeln beschreibt sondern nur durch eine Abbildung
Wiedergibt (vgl. Fig. 21). Poliphilo entdeckte sie auf der Vorderseite eines Sarkophages und entnahm
daraus folgende Grabschrift: »Diis manibus. Mors vitae contraria et velociss.ma cuneta
r,i ,. . ,. „i„;t melliflue duos mutuo se strictim et
calcat, suppeditat, rapit, consumit, dissolvit, meiimu<-
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ardenter amantes lue extinctos conjunxit.«3 Deianu ^ , »cu eigen
Fig. 20. Hieroglyphe aus Co-
lonnas Hypnerotomachie, Poli-
phili-Aldus 1499-
Verkleinert.
1 Vgl. Hypnerotomachie, h VII. _. . - ,
* Vgl. Valerianus, Hieroglvphica, p. 20.. Hier werden noch andere Cate aufgeführt.
' Hypnerotomachie, q VII.' Valerianus handelt ausführlich über d>e einzelnen H.eroglyphen; vgl. über Di Manes,
P- 227- »invenias plerumque in veterum monumentis capita duo duabis add.t.s inferne literis DM, quod Dis Manibus sa-
XXII. 9