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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0128
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Karl Giehlow.

Belluno, Castiglione und Venedig. In der Universitätsstadt hatte er auf seiner Rückkehr aus Rom die
Erinnerungen der Studienjahre aufgefrischt und wohl weitere Verbindungen angeknüpft, die er durch
gelegentliche Besuche und Briefwechsel wach erhielt. Castiglione diente Valeriano eine Zeitlang als
geistlicher Wirkungskreis, während er gleichzeitig eine Gelehrtenschule hielt. Hauptsächlich verweilte
er aber in den letzten Jahrzehnten theils in Belluno, theils in Venedig. An das Meer pflegte er sich
im Winter vor dem rauhen Klima seiner Vaterstadt zurückzuziehen. Schliesslich aber siedelte er
ganz nach Padua über; doch war es ihm nur beschieden, zwei Jahre, die beiden letzten vor seinem
Tode, dort zu verbringen.1

Die vom Onkel ererbten Beziehungen zur venezianischen Aristokratie hat Valeriano während
dieser Zeit weiter gepflegt. Viele seiner Commentare sind ihren Mitgliedern gewidmet. Besonders tritt
hier seine Bekanntschaft mit dem Patriarchen von Aquileja, Giovanni Grimani, hervor, der die be-
rühmte Antikensammlung seines Onkels Domenico bereicherte und gern den Erklärungen Valerianos
lauschte. Auch auf seinen Bruder Marco scheinen sich des Letzteren Interessen für Hieroglyphen über-
tragen zu haben. Denn dieser benutzte seinen Aufenthalt in Cairo (um 1555) dazu, ägyptische Alter-
thümer zu messen und zu zeichnen, Arbeiten, die später Sebastiano Serlio für sein Architekturwerk
benützte.2

Und wie diese Kunstfreunde, so nicht auch die Maler? Das Bild, welches den Wahlspruch Tizians
»natura potentior ars« verkörpert, ist eine dem Horapollon entlehnte Hieroglyphe, die Bärin, welche
ihrem ungestalteten Jungen »lambendo« die Form gibt.3 Tizian aber malte den Gönner des Valeriano,
Ippolito, als er aus Ungarn heimkehrte. Ob Valeriano nicht bei dieser Gelegenheit wieder in nähere
Berührung mit dem Künstler kam? Viele von den dunklen Allegorien, die namentlich die jüngere
venezianische Malerschule bevorzugt, mögen so auch Spuren des von Valeriano genährten hieroglyphi-
schen Geistes aufweisen. Man bedenke, dass in engster Fühlung mit der Kunst ein Literat wie Lodo-
vico Dolce steht, der, ebenso wie sein Rivale, Girolamo Ruscelli, sich eingehend mit der Bildung von
»imprese« beschäftigt. Und welchen bedeutenden Einfluss übte gerade auf diesem Gebiete die Hiero-
glyphenkunde des Valeriano aus!4

Während derart Valeriano für die ägyptischen Studien Propaganda macht, geschah es, dass in
St. Giustina zu Padua Girolamo Patavino in den Jahren 1540 bis 1546 die hieroglyphischen Wand-
malereien Bernardo Parentinos fortsetzte und dabei die Hieroglyphen der Hypnerotomachie copirte.5
Wenn auch für diesen die Angaben des vom Abte Ignazio einberufenen künstlerischen Beirathes maass-
gebend waren, so hatte doch gerade Valeriano immer wieder die Aufmerksamkeit auf den Polifilo ge-
lenkt. Das in seinen Commentaren Colonna gespendete Lob sorgte für die Verbreitung des Interesses
an der Hvpnerotomacbie und wird auch Paolo Manuzio dazu bestimmt haben, eine neue Auflage zu

1 Vgl. Ticozzi, a. a. O., p. 128 ff. Ticozzi erwähnt nicht die Reise Valerianos nach Neapel, die durch die Stelle
Hieroglyphica, p. 389v: »in agro Neapolitano, cum ad visendam ejus honoratissimae civitatis Academiam illo me con-
tulissem« bezeugt wird. — Paduanische Professoren, welche Widmungen erhielten, sind Franciscus Robertellus, Bernardus
Tomitanus und Antonius Passer. Besonders nahe stand Valeriano in Padua Cosmas Gerius; vgl. Hieroglyphica, p. 217.

2 Ueber die Grimani vgl. Tiraboschi, Storia della litteratura italiana, Tom. VII, parte I, lib. I, p. 204, der auf Marco
Foscarini, Deila litteratura veneziana, Vol. II (Padua 1752), p. 377 verweist. Foscarini erwähnt auch einen Pellegrino Broc-
cardo, der 1557 in Cairo sich mit ägyptischen Inschriften beschäftigte. Ueber den Aufenthalt Giovannis Grimani in Rom
und Valerianos Erklärung einer Venusstatue vgl. oben, S. 106.

3 Abgebildet bei Lodovico Dolce, Imprese nobili et ingentosi di diversi principi et d'altri personaggi illustri nell'arme
et nelle lettere etc., bei Ziletti, Venezia 1583; über die früheren Ausgaben vgl. Brunet, Manuel du Libraire. Darnach erschien
der erste Theil dieser Sammlung 1562, der zweite 1566. Ueber Dolce und sein Verhältnis zu Tizian vgl. seinen »Aretino
oder Dialog über die Malerei« in den Quellenschriften für Kunstgeschichte (Wien 1871). — Nach Horapollon, lib. II, cap. 83, ist
die ursa pariens die Hieroglyphe für einen »informem natum, qui ad formam revocetur posterius, vgl. Anhang II. Phasianinus
übersetzt die Erklärung frei derart: »haec enim suo in partu sanguinem primo conglobatum gignit. Postea vero concalefactum
hunc eundem propriis cruribus geu inguinibus fovet formatque ac lingua ipsa insuper magis ac magis lambens ad formam
perfectam perducit.« Auch auf einer deutschen Schaumünze findet sich dieses hieroglyphische Bild; vgl. die Abbildung
bei Domanig, Peter Flötner als Plastiker und Medailleur, Jahrbuch, Bd. XVI, S. 69.

4 Vgl. weiter unten die Ausführungen über Giovios und Ruscellis Lehre von der Bildung der »imprese«.

5 Vgl. oben, S. 70 ff.
 
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