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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0129

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance.

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veranstalten. Denn, dass dies 1545, in demselben Jahre, geschieht, als Valeriano längere Zeit in Venedig
verweilte, um die griechische Grammatik seines Onkels neu herauszugeben, erscheint kaum als ein zu-
fälliges Zusammentreffen.1 Vielleicht bestanden zwischen den Gelehrten des Abtes Ignazio und Va-
leriano sogar directe Beziehungen, welche ihm einen unmittelbaren Einfluss auf ihre Entschlüsse ge-
statteten. Jedenfalls hat Valeriano die Wiederaufnahme der Arbeiten an den Fresken des Klosters
mit dem regsten Interesse verfolgt. Waren doch die Gemälde gerade wegen ihres hieroglyphischen
Schmuckes weltberühmt. Nach einer Bemerkung des Chronisten von St. Giustina, Girolamo da Po-
tenza, wären Maler aus den Niederlanden, Deutschland, England, Frankreich und Spanien nicht müde
geworden, mit Copien ihre Skizzenbücher zu füllen.2

Nach den bisherigen Ausführungen wird es nicht Wunder nehmen, dass eine neue principielle Die Bedeutung
Auffassung von dem ägyptischen Schriftensysteme sich in den »Hieroglyphica« überhaupt nicht findet. Pierio

OJ r J Valcrianos

Die Bedeutung des Werkes liegt vielmehr in der systematischen Art, wie von Pierio alles das, was er für
über das Wesen der ägyptischen Schriftzeichen in Erfahrung gebracht hatte, zusammengefasst und ge- 10 n^Fernnß
ordnet worden ist. Dabei beschäftigt er sich freilich fast ausschliesslich mit den Hieroglyphen der "Hlcr°giyphcn«.
Priesterschrift. Sei es, dass er die jetzt so berühmte Stelle des Clemens Alexandrinus über die ver-
schiedenen Schriftarten der Aegypter übersehen oder dass er sie zu deuten nicht verstanden hat, er
weiss nichts von dem Unterschiede einer hieroglyphischen, hieratischen und demotischen Schrift noch
von dem Buchstabenwerth der Hieroglyphen zu berichten sondern stellt diesen als reiner Bilderschrift
die phonetische Volksschrift allein gegenüber.3

Nur einmal findet sich ein Hinweis dafür, dass sich Pierio bemüht hat, einen Begriff von der
Gestalt der letzteren zu erhalten. Auf Grund einer Angabe des Plutarch, wonach der erste Buchstabe
des ägyptischen Alphabetes die Form eines Ibis gehabt habe, kommt er zur Annahme, dass auch die
Form der übrigen Charaktere — er nimmt fünfzehn an — auf Bilder von Thieren oder menschlichen
Gliedern zurückgegangen wäre. Diese Vermuthungen, die insoweit durch die moderne Forschung be-
stätigt sind, als thatsächlich die demotische Schrift auf Abschleifungen eines aus Bildern bestehenden
Alphabetes, allerdings des dem Valeriano unbekannten hieroglyphischen, beruht, werden indess, ab-
gesehen von einigen Versuchen, nicht näher verfolgt. Die Thatsache, dass diese Schrift seit dem Ein-
dringen der griechischen obsolet geworden sei, lässt Valeriano von weiteren Untersuchungen abstehen.
Er ahnte nicht, dass in diesem kurzen Vermerk einer der fruchtbarsten Keime für die Erkenntnis der
Hieroglyphen selbst enthalten sein sollte. Denn man darf wohl darauf die Interessen zurückleiten,
die schliesslich zur Beschäftigung mit der koptischen Schrift und der in ihr enthaltenen Sprache des
alten Aegypten führten.4

1 Vgl. Ticozzi, a. a. O., p. 63 ff. Die von Fra Urbano verfassten institutiones graecae grammaticae, zuerst bei Aldus
1497 erschienen, wurden 1512 von Tacuino wiederaufgelegt, um dann im Mai 1545 »apud heredes Petri Rabani et socios»
von Pierio wieder herausgegeben zu werden. Der Wechsel des Verlegers war also bereits zu Lebzeiten Aldus' erfolgt.

2 Vgl. über die Abfassung der Chronik oben, S. 70, und den Abdruck, welchen Dorez in seinen Etudes Aldines, a. a. O.,
p. 263 ff., aus der Beschreibung della Valles gibt. Dieser citirt den Girolamo folgendermassen: »Nel piu volte mentovato
manoscritto 1' autore asserisce d' aver venduto co' suoi propri occhi Fiamminghi, Tedeschi, Inglesi, Francesi e Spagnuoli con
grandissimo studio e diligenza disegnare molte di queste pitture«. Vorher sind besonders die Pilaster, Basreliefs, welche
die Hieroglyphen tragen, hervorgehoben.

3 Vgl. oben, S. 10 und 82. Erst die Nachfolger der Humanisten verwerteten die Stromata; vgl. darüber weiter unten.

4 Die Untersuchung über die Buchstabenschrift der Aegypter, von deren Vorhandensein auch die sie versinnlichende
Hieroglyphe des »juncus et atramentum« bqi Horapollon Nachricht gab, findet sich in den Hieroglyphica des Valeriano,
p. 351: »Cujusmodi vero essent literarum characteres apud Aegyptios, si quaesierit quispiam, putarim ego partim instrumcn-
torum aliquot, plurimum vero animalium effigies misse. Illud enim ex Plutarcho constat, Mercurium, qui primus literas Aegyp-
tiis communicavit, Ibin primam esse literam voluisse. Refert quidem ea in ingressu triangulärem effigiem, cruribus ita dis-
positis, ut suo loco dictum; et quae prima apud nos et Graecos litera est, ad isoscelis trianguli faciem accommodatur. Atque
ita conjicere possumus, reliquas quoque literas vel XV vel quotquot fuerint, alicujus animalis effigie membrove figuratas,
quae tarn longa inde annorum serie sint abolitae atque ab eo praesertim tempore, quo Ptolemaei Graecas literas in Aegyp-
tum deduxere«. Dann gibt noch Valeriano einige Vermuthungen über die Form des B, T und A. — Wie derartige Gedan-
ken über die Volksschrift der Aegypter die Renaissance beschäftigten, davon legt der dem XVI. Jahrhundert angehörende
Codex Nr. 269 der k. k. Hofbibliothek zu Wien Zeugnis ab, worin ein von rechts nach links laufendes »Alphabetum Egyp-

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