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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0141

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Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance. 1^5

der in ihm das Verständnis für die Bedeutung des Horapollon sicherlich auch entwickelt hat. Solche
Kenntnisse werden Carapeggi recht zu statten gekommen sein, als er in den Jahren 15n/12 und
15! 3—1515 am Hoflager Maximilians weilte. Damals stand die Horapollon-Uebersetzung Pirckheimers
und die hieroglyphische Ausstattung der Ehrenpforte mit im Vordergrunde der wissenschaftlichen
Neigungen des Kaisers. Wie dieser Fürst überhaupt gelehrte Fragen mit seiner Umgebung zu erörtern
liebte, wird er auch den früheren bolognesischen Professor in Gespräche über die uralten ägyptischen
Buchstaben verwickelt haben. Und Campeggis Interesse selbst scheint ein nicht geringes gewesen
zu sein! Fasanini kannte es wohl, als er sich entscbloss, ihm die Uebersetzung der Hieroglyphica
zuzueignen. »Cui magis, per immortales deos« — lautet der Panegyricus seines Briefes — »sacras
Aegyptiorum literas nuneupare, quam sacratissimo et quo nemo absolutior omnibusque perfectior esset,
aut potui aut debuü* 1

Der Ruf der Horapollon-Ausgabe des Fasanini hat nicht wie das Lob seiner Palaephalus-Ueber-
setzung Jahrhunderte vorgehalten. Später ist sie nicht nur der flüchtigeren Arbeit des Trebatius gleich-
gestellt sondern sogar mit einem schärferen Tadel bedacht worden.2 In der That hat Fasanini zum
Teil sehr frei übersetzt und oft ganze Stellen aus dem Homer und Ammianus mit in den Text hinein-
gewoben.3 Aber man bedenke die ausserordentlichen Verstümmelungen des Inhaltes und das Bestreben
Fasaninis, seinen Schülern ein lesbares Buch zu liefern. Hier, wo es sich um den Nachweis der hiero-
glyphischen Strömung im Humanismus handelt, soll erst recht nicht mit ihm gerechtet werden; viel-
mehr ist ihm Dank abzustatten, dass er in seinen Commentaren ein lebendiges Bild hinterliess, in
welchem bedeutenden Maasse eine ägyptische Renaissance die Gelehrten besonders auf dem Gebiete
der Poesie ergriffen hat. Es sei Fasanini daher nicht verargt, dass er die Nachrichten der Alten über
das Wesen der gelegentlich auch »symbola aenigmataque Aegyptiarum literarumc 4 genannten Hiero-
glyphen grösstentheils nicht den Quellen sondern humanistischen Compilationen entlehnt hat. So sind
ausser den Adagien des Erasmus und den »Antiquae lectiones« des Rhodiginus besonders die Zusammen-
stellungen des Crinitus in seiner »honesta diseiplina« zum Theile wörtlich in die »declaratio* hinüber-
genommen.5 Da er seine humanistischen Vorarbeiter nicht nennt, so ist der Eindruck seiner Belesenheit
zunächst ein ausserordentlicher. Ob ihm die Zeitgenossen dieses freie Schalten mit fremdem geistigen
Eigenthum sehr übel genommen haben werden? Man hatte damals nicht die rigorosen Ansichten der
Jetztzeit und war besonders froh, endlich ein Gesammtbild von den Gedanken zu erhalten, welche die
grössten Geister des Alterthums sich über die Hieroglyphen gebildet hatten.

Man stelle sich aber den Eindruck vor, den die Citate aus Herodot, Diodor, Plinius, Tacitus,
Lucanus, Apulejus, Jamblichus, Proclus, Ammianus, Macrobius, alle voll von einer tiefen Ehrfurcht
und scheuen Bewunderung vor der in den Hieroglyphen verborgenen Weisheit, auf die damalige Welt
von Bildung machen mussten.6 Welches abergläubische Staunen vor dem seherischen Geiste der

1 Vgl. Phasianinus, 1. c, p. A1V. Vorher hat er die literarischen Interessen hervorgehoben. Am Schlüsse der mit dem
üblichen Schwulst abgefassten Schilderung des Lebenslaufes seines Mäcens erwähnt er auch die Sendung »ad Maximilianum
Caesarem Augustum Romanorum Imperatorem designatum« unter Leo X.

2 So bezeichnet de Pauw (Horapollon-Ausgabe 1727) die Uebersetzungen des Trebatius und Phasianinus als »ineptissimas«
und schreibt, dass dieser nicht »antiquos libros«, sondern »ingeniolum suumc seiner Arbeit zu Grunde gelegt habe. Dagegen
hat sich David Hoeschel (Horapollon-Ausgabe 1595) derart geäussert: »Phasianino codicem haud malum fuisse.« Vgl. Leemans,
Horapollinis Niloi Hieroglyphica (Amstelodami 1835), p. XXX.

3 Derart hat Fasanini in lib. II, cap. 101 den Satz: »quamobrem poeta Achillem Agamemnoni iratum dicentem inducit*
vor dem lateinischen, übersetzten Vers aus der Ilias — vgl. oben, S. 88, — eingeschoben; in lib. I, cap. LXII ist die Stelle
des Ammianus über die Hieroglyphe der Biene — vgl. oben, S. 18, — der von Horapollon gegebenen Deutung — vgl. An-
hang II — zugefügt.

4 Man beachte hier die Aehnlichkeit der Ausdrucksweise mit Beroaldos Schrift über die pythagoreischen Symbole.

5 Man vergleiche die oben besprochenen Stellen aus Erasmus', Rhodiginus' und Crinitus' Werken — siehe S. 84, 107
und 109 — mit dem Text der »declaratio* des Phasianinus: p. XLX" (wörtlicher Anschluss an Erasmus), p. XLVII (des-
gleichen an Rhodiginus), p. XLVII (ebenso an Crinitus). Diesem sind auch die Ausführungen über die Lotusblume nach
Jamblichus, sowie die Erwähnung der Kreuzeshieroglyphe bei Rufinus entlehnt.

6 Fasanini citiert ausserdem noch Plutarch und Strabon als hieroglyphische Schriftsteller, ohne ihre Nachrichten näher
heranzuziehen.
 
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