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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Giehlow, Karl; Weixlgärtner, Arpad: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance: besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I. Ein Versuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0162
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Karl Giehlow.

den von den Griechen b/vnj.z, von den Lateinern »remora« genannten Saugefisch hinwies, um den Be-
griff »tarditas cunctatioque« zu versinnlichen. Das Bedenken des Niederländers, dass der Mangel an
deutlichen Unterscheidungsmerkmalen das Bild der »echeneis« als Hieroglyphe hinwiderum nicht emp-
fehle, übersah er gegenüber den Vorzügen der innern Eignung, so dass schliesslich dieses Sinnbild der
Langsamkeit zusammen mit dem Pfeil als Zeichen der Schnelligkeit das Motto des Augustus wieder-
giebt, das in »matura« abgekürzt wird. Alciat liefert hiermit ein typisches Beispiel für das grosse
Interesse, das die Renaissance zu Beginn des Cinquecento ungemindert dem bewunderten Kaiserspruch
weiter entgegenbringt. Kein Wunder, wenn gleichzeitig diesseits der Alpen seine Hieroglyphen heimisch
werden oder neue Erfindungen in dieser Hinsicht seine contrastierenden Begriffe versinnlichen! In
Italien reiht sich an Alciat's Emblem eine fortlaufende Kette neuer Einfälle; so fasste Domenichi die auf
antiken Münzen bemerkte Verbindung eines Schmetterlings mit einer Krabbe in dem Sinne des Wahl-
spruchs auf; verkörperte ihn Paul III. durch die Zusammenstellung eines Delphins mit einem Rhinoceros
und stellte ihn Herzog Cosimo durch eine Schildkröte dar, die ein Segel führt. Bei der Auswahl des
letzten Sinnbildes fällt auf, dass darin eine hieroglyphische Darstellung Colonna's verwoben ist, und

zwar dieselbe, welche Alciati in ganz eigenartiger Weise aus-
beutete.

Es ist die oben abgebildete »cataglyphia sculptura di
hieroglyphi« (vgl. Fig. 20), die ein Weib halb sitzend, halb sich
erhebend mit einem Flügelpaar in der einen, mit einer Schild-
kröte in der anderen Hand darstellt. Die in dem Bilde sich
ausdrückenden Gegensätze: einerseits des »acto de levarse <
zur Schildkröte als Sinnbild der Langsamkeit, anderseits der
»Sessionen zum Flügelpaar als Zeichen der Schnelligkeit, wie
Fig. 27. Holzschnitt von Joerg Breu ans den schliesslich dieser Hieroglyphen wieder untereinander ergaben
Emblemata des Alciati (Augsburg 1531). den Satz »velocitatem cedendo, tarditatem tempera surgendo«.

Nur Einzelheiten haben Alciati und Cosimo dieser an inneren
Bezügen so reichhaltigen, hieroglyphischen Schöpfung entnommen. Aber während der Letztere dem
Gedanken des Ganzen als einer Paraphrase des kaiserlichen Mottos treu bleibt und zu dessen bildlicher
Darstellung die Schildkröte selbst benützt, hat Alciati den entlehnten Hieroglyphen wieder einen neuen
Sinn gegeben und dabei offenbar sein eigenes Geschick im Auge gehabt. Denn das derart entstandene
Emblema »paupertatem summis ingeniis obesse, ne provehantur* (vgl. Fig. 27) wird folgendermassen
von ihm beschrieben und erklärt:

»Dextra tenet lapidem, manus altera sustinet alas,
Ut me pluma levat, sie grave mergit onus.
Ingenio poteram superas volitare per arces,
Me nisi paupertas invida deprimeret.«

Danach hat sich Andrea mit dem Ausdruck »sustinet alas« fast wörtlich Colonna angeschlossen, der
sagt, dass die eine Hand »uno paro di ale teniva«, desgleichen den Gegensatz des »sedere« und »surgere«
in dem »levare« und »mergere« festgehalten, sicherlich damit auch eine in ihrer Kraft zurückgehaltene
Bewegung wiederzugeben beabsichtigt, dagegen diesen Vorgang anders ausgelegt. Colonna und Cosimo
sahen darin im Sinne des klassischen Sprichwortes den Erfolg des Maasshaltens dargestellt; Alciati ver-
sinnlichte damit die Wirkung der Armuth auf ein aufstrebendes Genie. Daher vertauschte er die Schild-
kröte mit dem Stein. Gewiss dichtete er die obigen Verse, als er in der Heimath die bösen Tage durch-
zumachen hatte und sich in seinem Fortkommen gehindert sah.

In der gleichen Weise wie die Hieroglyphen Colonna's hat Alciati auch die des Horapollon
behandelt. Nichts Anderes als in Verse gebrachte Capitel der Hieroglyphica oder Theile derselben sind,
wenn man von den dichterischen Zusätzen absieht, die oben bereits citierten Emblemata, in denen sogar
der Wortlaut der Uebersetzung Fasanini's zu Tage tritt. Nur eine geringe Abweichung hatte sich der
Emblematiker bei der Verwerthung der Hieroglyphe des Storches erlaubt, die er im Sinne der Marginal-
 
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