Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

DOI article:
Kurth, Betty: Mittelhochdeutsche Dichtungen auf Wirkteppichen des XV. Jahrhunderts
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0255
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mittelhochdeutsche Dichtungen auf Wirkteppichen des XV. Jahrhunderts.

247

sie zuerst den kleinen Sohn, der auf die Vogeljagd gegangen war. Der Knabe flieht, als er den Fremden
erblickt, eilt ängstlich zu seiner Mutter und berichtet ihr das Gesehene. Die Königin will mit dem Kinde
flüchten, aber der König erreicht sie, erfleht ihre Verzeihung und nach ihrer Heimkehr wird die
Wiedervereinigung mit
frohen Festen begangen.

Das Teppichfrag-
ment im Germanischen
Museum zu Nürnberg
(Fig. 2) illustriert die
letzten Episoden dieser
Erzählung. Auf dem
ersten Bilde kommt der
König zum Laden der
Krämerin, die eben das
Gewirk, allem Anscheine
nach einen Gürtel, in
Empfang nimmt und
dem Köhler, der in der
rechten Hand seinen
Beutel hält, Geldstücke
dafür reicht. Links ober-
halb des Verkaufstisches
hängen ähnliche Wirk-
arbeiten; auf dem Tische
hockt ein Affe an einer
Kette. Auf der zweiten
Darstellung geleitet der
Köhler den König und
den Herzog, die zu
Pferde sind, während der
erschreckte Knabe, mit
Pfeil und Bogen zur
Vogeljagd ausgerüstet,
beim Anblick der Frem-
den entflieht. Es folgt
im dritten Bilde die Ver-
söhnung der Getrennten,
die sich umarmen. Das
Kind hält sich ängstlich

am Gewand der Mutter, ein Zug, der vom Künstler besonders reizvoll geschildert wurde. Die letzte
Szene endlich stellt das Festmahl dar, das zu Ehren der Wiedervereinigung gefeiert wird.

Auch bei diesem Teppich kann die Vergleichung von Text und Bildern kaum einen Zweifel an
der Richtigkeit der gefundenen Deutung lassen. Somit erscheinen zwei neue und seltene Illustrations-
zyklen für die ikonographische Forschung gewonnen. Was den einen derselben, die Erzählung vom
«Busant», anbelangt, so ist mir kein zweites Beispiel seiner Illustrationen zur Kenntnis gelangt. Dagegen
möchte ich die interessanten und künstlerisch wertvollen Miniaturen nicht unerwähnt lassen, die in einer
in der k. k. Hofbibliothek zu Wien befindlichen Pergamenthandschrift 1 die Dichtung von der Königin

Fig. 8. Abschnitt des Wandteppichs im Wiener Hofmuseum.

1 Cod. Nr. 2675*. — Vgl. Hoffmann v. Fallersleben, Verzeichnis der altdeutschen Handschriften der k. k. Hof bibliothek
zu Wien, Leipzig 1841, Nr. LIV, S. i3o.
 
Annotationen