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Friedrich Winkler.
der Könige), 100 (Darstellung im Tempel), 105 (bethlehemitischer Kindermord), 112 (Flucht
nach Ägypten), 116—125 (15 Heilige), 12g (jüngstes Gericht), 147 (zelebrierende Geist-
liche).
Ich will nicht versuchen, hier alle die Untersuchungen aufzurollen, die man bei der Aufteilung
der Miniaturen an einzelne Hände vornehmen muß. Es würde nur dem von Nutzen sein, der die
Handschrift in Händen hält. Schon auf ein erstes Durchblättern hin wird der mit Gebetbüchern
des XV. Jahrhunderts Vertraute eine auffällige Stilverschiedenheit wahrnehmen. Besonders bei den
ganzseitigen Miniaturen scheint Bild für Bild ein Künstler den andern verdrängt zu haben. Das
Dunkel lichtet sich bei wiederholter Durchsicht
und man kommt endlich, wenn auch zu acht
verschiedenen Künstlern, so doch nur zu zwei
Meistern, die in umfangreicherer Weise beteiligt
waren, — wir nennen die beiden weiterhin Meister
A und E. Die übrigen sechs, von verschiedener
künstlerischer Bedeutung, haben nur das eine
oder das andere Blatt ausgeführt. Einer der-
selben wird uns freilich von großer Wichtigkeit
werden.
Beginnen wir mit dem hervorragendsten und
interessantesten Künstler des Gebetbuches, der
nach dem Kalender den Band mit dem schönen
Blatt der Madonna in der Kirche eröffnet (Meister
A). Er hat vier große Bilder beigesteuert: das
Bild einer Dame vor dem Fenster mit Durch-
blick auf die Madonna in einer Kirche (fol. 14'),
die Kreuzanheftung Christi (fol. 43'), die merk-
würdigerweise vor dem folgenden eingereiht ist,
die Kreuztragung (fol. 94') und den Kalvarien-
berg (fol. 99')-1
Das erste Bild (Taf. VI) zeigt vor einem
Fenster eine Dame, ihr Hündchen im Schoß, mit
zierlich gespreizten Fingern ein Buch haltend;
neben ihr auf der Brüstung Schmucksachen, ab-
geschnittene Nelken und in einem Glase Lilien,
davor in Höhe der Dame ein kostbares Kissen.
Die Fensterflügel mit den großen Butzenscheiben
sind zurückgeschlagen und gewähren Einblick in
eine von Licht gefüllte Kirche, in der die Ma-
donna sich auf einem Teppiche niedergelassen hat.
Ihren Hofstaat bilden vier Engelchen, die die Ecken des Teppichs mit einem Leuchter neben sich
besetzt halten. Ihr und dem kerzengerade auf ihrem Schoß sitzenden Christusknaben gelten die
Gebete einer Frau, wohl der vor dem Fenster sitzenden Dame, und ihrer Töchter, die mit dem
das Rauchfaß schwingenden, vom Rücken gesehenen Geistlichen das lichte Innere betreten haben.
Nur zwei Männer und ein Hund befinden sich noch in dem weiten, von Sonnenstrahlen durch-
1 Schon Waagen, a. a. O., weist diese vier Bilder dem Meister zu. Seine Bemerkungen, die leider nur einen kleinen
Teil der Bilder betreffen, lassen erkennen, daß er die anderen von ihm genannten Bilder, wie die auf fol. 19', 24, i$\ ebenso
wie ich aufteilt. Weale, a. a. O., erkennt den Meister des Kirchenbildes nur noch in der Kreuzanheftung und dem Kalvarien-
berg. In der Tat ist bei der Kreuztragung eine flüchtigere Ausführung erkennbar; es kann trotzdem kein Zweifel sein, daß
auch dieses Blatt von A geschaffen wurde.
Fig. 2. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1857, Fol. III'.
Friedrich Winkler.
der Könige), 100 (Darstellung im Tempel), 105 (bethlehemitischer Kindermord), 112 (Flucht
nach Ägypten), 116—125 (15 Heilige), 12g (jüngstes Gericht), 147 (zelebrierende Geist-
liche).
Ich will nicht versuchen, hier alle die Untersuchungen aufzurollen, die man bei der Aufteilung
der Miniaturen an einzelne Hände vornehmen muß. Es würde nur dem von Nutzen sein, der die
Handschrift in Händen hält. Schon auf ein erstes Durchblättern hin wird der mit Gebetbüchern
des XV. Jahrhunderts Vertraute eine auffällige Stilverschiedenheit wahrnehmen. Besonders bei den
ganzseitigen Miniaturen scheint Bild für Bild ein Künstler den andern verdrängt zu haben. Das
Dunkel lichtet sich bei wiederholter Durchsicht
und man kommt endlich, wenn auch zu acht
verschiedenen Künstlern, so doch nur zu zwei
Meistern, die in umfangreicherer Weise beteiligt
waren, — wir nennen die beiden weiterhin Meister
A und E. Die übrigen sechs, von verschiedener
künstlerischer Bedeutung, haben nur das eine
oder das andere Blatt ausgeführt. Einer der-
selben wird uns freilich von großer Wichtigkeit
werden.
Beginnen wir mit dem hervorragendsten und
interessantesten Künstler des Gebetbuches, der
nach dem Kalender den Band mit dem schönen
Blatt der Madonna in der Kirche eröffnet (Meister
A). Er hat vier große Bilder beigesteuert: das
Bild einer Dame vor dem Fenster mit Durch-
blick auf die Madonna in einer Kirche (fol. 14'),
die Kreuzanheftung Christi (fol. 43'), die merk-
würdigerweise vor dem folgenden eingereiht ist,
die Kreuztragung (fol. 94') und den Kalvarien-
berg (fol. 99')-1
Das erste Bild (Taf. VI) zeigt vor einem
Fenster eine Dame, ihr Hündchen im Schoß, mit
zierlich gespreizten Fingern ein Buch haltend;
neben ihr auf der Brüstung Schmucksachen, ab-
geschnittene Nelken und in einem Glase Lilien,
davor in Höhe der Dame ein kostbares Kissen.
Die Fensterflügel mit den großen Butzenscheiben
sind zurückgeschlagen und gewähren Einblick in
eine von Licht gefüllte Kirche, in der die Ma-
donna sich auf einem Teppiche niedergelassen hat.
Ihren Hofstaat bilden vier Engelchen, die die Ecken des Teppichs mit einem Leuchter neben sich
besetzt halten. Ihr und dem kerzengerade auf ihrem Schoß sitzenden Christusknaben gelten die
Gebete einer Frau, wohl der vor dem Fenster sitzenden Dame, und ihrer Töchter, die mit dem
das Rauchfaß schwingenden, vom Rücken gesehenen Geistlichen das lichte Innere betreten haben.
Nur zwei Männer und ein Hund befinden sich noch in dem weiten, von Sonnenstrahlen durch-
1 Schon Waagen, a. a. O., weist diese vier Bilder dem Meister zu. Seine Bemerkungen, die leider nur einen kleinen
Teil der Bilder betreffen, lassen erkennen, daß er die anderen von ihm genannten Bilder, wie die auf fol. 19', 24, i$\ ebenso
wie ich aufteilt. Weale, a. a. O., erkennt den Meister des Kirchenbildes nur noch in der Kreuzanheftung und dem Kalvarien-
berg. In der Tat ist bei der Kreuztragung eine flüchtigere Ausführung erkennbar; es kann trotzdem kein Zweifel sein, daß
auch dieses Blatt von A geschaffen wurde.
Fig. 2. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1857, Fol. III'.