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Friedrich Winkler.
schattenlosen Köpfe mit der sauberen Einzeichnung einiger Falten auf Stirn oder Wangen und
ihrer dutzendfach wiederkehrenden Form werden nie abgewandelt. Seine Gesichter sind meist von
einer unbedeutenden Nettigkeit. Sein Farbengefühl ist wenig entwickelt, mit bedenklicher Stereo-
typie bringt er in seinen Werken ein trockenes Braun, ein starkes Blau. Seine Hauptaufgabe er-
blickt er darin, die dicken Chroniken der Herzoge von Burgund mit Scharen von sorgfältig aus-
geführten Bildern zu bevölkern. Sauber und nüchtern gibt er die Architekturen, ihre perspektivi-
sche Wiedergabe kümmert ihn wenig, die Farben derselben sind unnaturalistisch, rein dekorativ
Fig. i3. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1987, Fol. 22'. Fig. 14. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1987, Fol 114'.
werden Spitzbogen und andere architektonische Einzelheiten in lichten grünen und blauen Farben
getuscht. In den Folianten der Bibliothek von Burgund, wo meist Schlachten und historisch be-
deutsame Vorgänge der Vergangenheit zu schildern waren, wirkt der Meister nüchtern, die Ausführung
wegen der großen Zahl zu liefernder Bilder fabrikmäßig. Vorteilhafter erscheint der Meister in
seinen Gebetbüchern. Hier konnte er durch eine fast immer peinlich sorgfältige Ausführung und
eine, wenn auch immer gleichbleibende, so doch in diesem Zusammenhang nicht reizlose koloristi-
sche Haltung die zahllosen flämischen Werkstattprodukte mit leichter Mühe in den Schatten stellen.
Eine auch nur oberflächliche Kenntnis einiger Werke der Vrelantschen Werkstatt genügt,
um zu erkennen, daß unser Blatt 51 des Gebetbuches, wenn nicht von ihm, so doch bestimmt in
seiner Werkstatt geschaffen wurde.1 Ich möchte allerdings die Dreieinigkeit wie auch die Ranken
auf dem Blatte unseres Gebetbuches wegen ihrer sorgfältigen Ausführung als eigenhändig ansehen.
1 Vrelant hat unmöglich die enorme Zahl der Bilder in der aufgeführten Liste selbständig schaffen können. Wir müssen
annehmen, daß er seine Gehilfen zu ziemlich treuer Nachahmung herangezogen hatte. Die Mitarbeit der Werkstatt ist zu-
weilen deutlich zu erkennen (vgl. die Abbildungen auf p. 105 und 107 der Revue de l'art ancien et moderne 1903, I).
Friedrich Winkler.
schattenlosen Köpfe mit der sauberen Einzeichnung einiger Falten auf Stirn oder Wangen und
ihrer dutzendfach wiederkehrenden Form werden nie abgewandelt. Seine Gesichter sind meist von
einer unbedeutenden Nettigkeit. Sein Farbengefühl ist wenig entwickelt, mit bedenklicher Stereo-
typie bringt er in seinen Werken ein trockenes Braun, ein starkes Blau. Seine Hauptaufgabe er-
blickt er darin, die dicken Chroniken der Herzoge von Burgund mit Scharen von sorgfältig aus-
geführten Bildern zu bevölkern. Sauber und nüchtern gibt er die Architekturen, ihre perspektivi-
sche Wiedergabe kümmert ihn wenig, die Farben derselben sind unnaturalistisch, rein dekorativ
Fig. i3. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1987, Fol. 22'. Fig. 14. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 1987, Fol 114'.
werden Spitzbogen und andere architektonische Einzelheiten in lichten grünen und blauen Farben
getuscht. In den Folianten der Bibliothek von Burgund, wo meist Schlachten und historisch be-
deutsame Vorgänge der Vergangenheit zu schildern waren, wirkt der Meister nüchtern, die Ausführung
wegen der großen Zahl zu liefernder Bilder fabrikmäßig. Vorteilhafter erscheint der Meister in
seinen Gebetbüchern. Hier konnte er durch eine fast immer peinlich sorgfältige Ausführung und
eine, wenn auch immer gleichbleibende, so doch in diesem Zusammenhang nicht reizlose koloristi-
sche Haltung die zahllosen flämischen Werkstattprodukte mit leichter Mühe in den Schatten stellen.
Eine auch nur oberflächliche Kenntnis einiger Werke der Vrelantschen Werkstatt genügt,
um zu erkennen, daß unser Blatt 51 des Gebetbuches, wenn nicht von ihm, so doch bestimmt in
seiner Werkstatt geschaffen wurde.1 Ich möchte allerdings die Dreieinigkeit wie auch die Ranken
auf dem Blatte unseres Gebetbuches wegen ihrer sorgfältigen Ausführung als eigenhändig ansehen.
1 Vrelant hat unmöglich die enorme Zahl der Bilder in der aufgeführten Liste selbständig schaffen können. Wir müssen
annehmen, daß er seine Gehilfen zu ziemlich treuer Nachahmung herangezogen hatte. Die Mitarbeit der Werkstatt ist zu-
weilen deutlich zu erkennen (vgl. die Abbildungen auf p. 105 und 107 der Revue de l'art ancien et moderne 1903, I).