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Friedrich Winkler.
Karl oder Anton dar. Auf ersteren möchte man schließen, da der Thronbaldachin die Initialen
C M (Charles-Marguerite) trägt.1 Lassen schon die Typen und die Technik den Meister E des
Gebetbuches erkennen, so bleibt kein Zweifel möglich, wenn man die Umrahmungen mit jenen des
Gebetbuches 1857 vergleicht. Die Ranken sind bei der Handschrift des Hofmuseums feingliedriger,
zarter und genauer durchgeführt, das Blumenwerk dünnstieliger, aber die Drolerien verraten uns
den Meister auch hier. Sie sind nicht minder lustig und derb. Ein Huhn pickt an einer Erd-
beere, ein Kerl mit Vogelkrallen, spitzer Mütze und Weiberbrüsten schießt durch ein Blasrohr einen
der zarten Vögel herunter. Auf dem Titelblatt treibt sich in den Ranken ein grämliches Zwitter-
ding von Krokodil und Drache herum, das ärgerlich erbost den Rachen gegenüber einem nicht
minder eifrigen Vögelchen aufreißt. Die Ausartungen der Oberschäfte, wie auch die braune Fleisch-
farbe der Akte der komischen Figuren kom-
men in beiden Büchern gleich vor. Wie
schon erwähnt, weicht die Rankenzeich-
nung des Titelblattes ab. Im Gebetbuche
sind die lappigen Ranken klobiger, schwerer
in der Farbe. Es haftet ihnen auch etwas
Fabriksmäßigeres der Ausführung an. Der
Grund dürfte leicht zu finden sein: hier
haben wir ein einziges Titelblatt, das mit
Gerank zu schmücken war, im Gebetbuche
waren es Dutzende von Blättern. Wir
dürfen wohl annehmen, daß dort die Gruppe
des Randschmuckes in den Werkstattbereich
des E gehört, nicht aber von ihm selbst
ausgeführt wurde.
Zwei andere Handschriften aus des
Meisters Kreis fördern uns nicht. Nr. 2566
der Hofbibliothek in Wien ist ein Curtius
Rufus in französischer Übersetzung («Von
Fig. 16. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2566, Fol. 136. den Taten Alexanders des Großen»), der
von drei Meistern geschmückt wurde, die
lagenweise abwechseln (Katalog der Miniaturenausstellung 1902, Nr. 158). Das Werk hatte an-
scheinend den Louis de Bourbon, Admiral von Frankreich, einen natürlichen Sohn des Herzogs
Charles von Bourbon, zum Besteller, und so sind auch die Meister A und B französisch, C aber
ist zumindest stark von unserem E des Gebetbuches beeinflußt (Fig. 16).2 Ja er hat seinem Lehrer
soviel Gewohnheiten abgesehen, daß man zweifeln kann, ob nicht die Vorzeichnungen von E selbst
herrühren und ein Schüler das Werk etwas flüchtig ausgeführt hat. — Das andere Werk ist der
Valerius Maximus («de dictis et factis Romanorum») in Breslau.3 Dort setzt mit fol. 115' des
zweiten Bandes ein Meister ein, der auch unmittelbarer Schüler oder Nachfolger des Meisters E ist.
Es ist das für uns insofern wichtig, als diese Breslauer Handschrift, wie der Froissart, aus dem
Besitze des Großen Bastard stammt.4
1 Die Anfangsbuchstaben Karls und seiner Frau, Marguerite de York, finden sich öfters in seinen Handschriften, z. B.
Brüssel, cod. 9296.
2 A schuf die Bilder von fol. 1—7, 17—24', 33—40', 81—88, 97—104', 145 —152'; — B von fol. 8—16', 25'—32', 41
—47', 57'—64', 73'—80', 89—96, 105 —120'; — C von fol. 49—56', 65 — 72', 121 —144', 153 bis zum Ende.
3 Vgl. meinen Aufsatz im Repertorium 1911.
4 Auch das Titelblatt der Chronik von England (Wien, Hofbibliothek, Nr. 2534), das ein Hoffest schildert, ist von
Miniaturen unseres E abhängig. Die anderen großen Bilder der Handschrift — auszunehmen ist Blatt i32 — sind von einem
Meister, der zweifellos auch ein Gebetbuch schmückte, das am 26. November 1901 bei Fred. Müller in Amsterdam ver-
steigert wurde (Nr. 514; zwei Abbildungen im Auktionskatalog). — Ebenso scheint diesem eine Handschrift zu gehören, von
Friedrich Winkler.
Karl oder Anton dar. Auf ersteren möchte man schließen, da der Thronbaldachin die Initialen
C M (Charles-Marguerite) trägt.1 Lassen schon die Typen und die Technik den Meister E des
Gebetbuches erkennen, so bleibt kein Zweifel möglich, wenn man die Umrahmungen mit jenen des
Gebetbuches 1857 vergleicht. Die Ranken sind bei der Handschrift des Hofmuseums feingliedriger,
zarter und genauer durchgeführt, das Blumenwerk dünnstieliger, aber die Drolerien verraten uns
den Meister auch hier. Sie sind nicht minder lustig und derb. Ein Huhn pickt an einer Erd-
beere, ein Kerl mit Vogelkrallen, spitzer Mütze und Weiberbrüsten schießt durch ein Blasrohr einen
der zarten Vögel herunter. Auf dem Titelblatt treibt sich in den Ranken ein grämliches Zwitter-
ding von Krokodil und Drache herum, das ärgerlich erbost den Rachen gegenüber einem nicht
minder eifrigen Vögelchen aufreißt. Die Ausartungen der Oberschäfte, wie auch die braune Fleisch-
farbe der Akte der komischen Figuren kom-
men in beiden Büchern gleich vor. Wie
schon erwähnt, weicht die Rankenzeich-
nung des Titelblattes ab. Im Gebetbuche
sind die lappigen Ranken klobiger, schwerer
in der Farbe. Es haftet ihnen auch etwas
Fabriksmäßigeres der Ausführung an. Der
Grund dürfte leicht zu finden sein: hier
haben wir ein einziges Titelblatt, das mit
Gerank zu schmücken war, im Gebetbuche
waren es Dutzende von Blättern. Wir
dürfen wohl annehmen, daß dort die Gruppe
des Randschmuckes in den Werkstattbereich
des E gehört, nicht aber von ihm selbst
ausgeführt wurde.
Zwei andere Handschriften aus des
Meisters Kreis fördern uns nicht. Nr. 2566
der Hofbibliothek in Wien ist ein Curtius
Rufus in französischer Übersetzung («Von
Fig. 16. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2566, Fol. 136. den Taten Alexanders des Großen»), der
von drei Meistern geschmückt wurde, die
lagenweise abwechseln (Katalog der Miniaturenausstellung 1902, Nr. 158). Das Werk hatte an-
scheinend den Louis de Bourbon, Admiral von Frankreich, einen natürlichen Sohn des Herzogs
Charles von Bourbon, zum Besteller, und so sind auch die Meister A und B französisch, C aber
ist zumindest stark von unserem E des Gebetbuches beeinflußt (Fig. 16).2 Ja er hat seinem Lehrer
soviel Gewohnheiten abgesehen, daß man zweifeln kann, ob nicht die Vorzeichnungen von E selbst
herrühren und ein Schüler das Werk etwas flüchtig ausgeführt hat. — Das andere Werk ist der
Valerius Maximus («de dictis et factis Romanorum») in Breslau.3 Dort setzt mit fol. 115' des
zweiten Bandes ein Meister ein, der auch unmittelbarer Schüler oder Nachfolger des Meisters E ist.
Es ist das für uns insofern wichtig, als diese Breslauer Handschrift, wie der Froissart, aus dem
Besitze des Großen Bastard stammt.4
1 Die Anfangsbuchstaben Karls und seiner Frau, Marguerite de York, finden sich öfters in seinen Handschriften, z. B.
Brüssel, cod. 9296.
2 A schuf die Bilder von fol. 1—7, 17—24', 33—40', 81—88, 97—104', 145 —152'; — B von fol. 8—16', 25'—32', 41
—47', 57'—64', 73'—80', 89—96, 105 —120'; — C von fol. 49—56', 65 — 72', 121 —144', 153 bis zum Ende.
3 Vgl. meinen Aufsatz im Repertorium 1911.
4 Auch das Titelblatt der Chronik von England (Wien, Hofbibliothek, Nr. 2534), das ein Hoffest schildert, ist von
Miniaturen unseres E abhängig. Die anderen großen Bilder der Handschrift — auszunehmen ist Blatt i32 — sind von einem
Meister, der zweifellos auch ein Gebetbuch schmückte, das am 26. November 1901 bei Fred. Müller in Amsterdam ver-
steigert wurde (Nr. 514; zwei Abbildungen im Auktionskatalog). — Ebenso scheint diesem eine Handschrift zu gehören, von