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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0326
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314

Friedrich Winkler.

sind länglich, der Mund klein, die Nase lang, an der Wurzel und am Ende gleich breit, nach der
Mitte zu gleichmäßig sich verengend. Die Augenbrauen sind durch einen horizontalen Strich an-
gegeben, der die Nasenlinie im rechten Winkel trifft. In den Gewändern bemerkt man wenig
Falten, meist senkrecht zu Boden führend und immer deutlich durch starke schwarze Linien ein-
gezeichnet, gleichviel ob es sich um einen roten, grünen oder blauen Stoff handelt. Die Verwen-
dung der schwarzen Linien zur Faltenzeichnung beobachten wir fast immer bei dem Meister, und

zwar bei ihm allein, so daß dieses
Kriterium genügen würde, seine
Hand heraus zu erkennen. Eben-
so eigenartig ist die Ranken-
zeichnung, die — wie auch die
Behandlung des Faltenwerkes —
völlig von der des Meisters der
Privilegien von Flandern ab-
weicht. Die Ranke ist bei dem
Brüsseler Bild ein breites, kurzes
Blatt mit nicht sehr zahlreichen
Einschnitten, dessen belichtete
Seite in starken Kontrast zu der
im Schatten liegenden gebracht
ist; die Mittelrippe ist punktiert,
die Ranke windet sich schwer-
fällig, hat nur selten Neben-
zweige und wird nur an kompo-
sitionell wichtigen Teilen des
Blattrandes, vorzugsweise an den
Ecken jeder Seite, angebracht.
Das Inkarnat ist, wie bei dem
Meister der Privilegien, bleiches
Rot mit viel Grün in den Schat-
ten; doch versetzt unser Künstler
sein Bild mit mehr Wachs, so
daß die Gesichter spiegelartig
glatt erscheinen.

Dieser Meister, für den ich
den Namen «Meister des Guille-
bert von Metz» vorschlage, da
er noch ein zweites Werk dieses
Schreibers ausschmückte, das für
diese Untersuchung von Bedeu-
tung ist, versah auch das Gebet-
buch 10772 in Brüssel mit drei Bildern: fol. i3' Kreuzigung (Fig. 29), fol. 26' Verkündigung,
fol. 87' das jüngste Gericht (Fig. 3o). Ranken- und Faltenzeichnung, Typik und Inkarnat sind voll-
ständig die der oben behandelten Titelminiatur. Doch lernen wir hier manches Neue am Meister
kennen. Bei der Kreuzigung finden wir den Himmel merkwürdigerweise silbern. In dem jüngsten
Gericht ist an seine Stelle ein Schachbrettmuster getreten, in der Verkündigung eine silberne Ranke
auf blauem Grunde. Der vom Rücken gesehene Kriegsknecht der Kreuzigung trägt jenen Zaddelrock,
den wir aus den Stichen des Spielkartenmeisters, von Stephan Lochner usw. her kennen. Er wurde
wohl besonders im dritten und vierten Jahrzehnt des XV. Jahrhunderts getragen. Auch die treppen-

Fig. 29. Brüssel, königl. Bibliothek, Cod. 10772, Fol. i3\
 
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