Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

DOI Artikel:
Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0339
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts.

327

Werk ist das Titelblatt mit der Schöpfung der Welt in sechs Teilen und zwei anderen Miniaturen,
deren eine den Auftraggeber der Handschrift vor der Madonna zeigt (Fig. 41). Dieses durch seinen
eigentümlichen Kolorismus bemerkenswerte Blatt hat keinen Rivalen im Werke des Meisters; nur
einmal noch griff er über das kleine Format, für das ihm meist die Breite der Textspalte auch im
Höhenmaß maßgebend war, hinaus, in dem Bilde des Moses auf dem Berge Nebo (Taf. XX). Der
Künstler bleibt sich immerhin ziemlich gleich auch in den folgenden Blättern bis fol. i83'. Beson-
ders interessant ist die farbige Durchführung der Miniaturen. Die Vorzeichnung scheint nur die not-
wendigsten Dinge angedeutet zu haben, des Künstlers Werkzeug war besonders der Pinsel. Die
Farben werden locker aufgesetzt und bleiben unvertrieben stehen. Mund und Nase werden in
kurzen Strichen hingewischt. Der weiße
Bart Gottvaters wird breit hingestrichen,
die Schatten in graugrüner Farbe einge-
tragen. Gern bringt der Meister auf den
Gesichtern punktartige Lichter an. Be-
merkenswert sind seine Innenansichten.
Ein komplizierter Raum, wie der der
Miniatur auf fol. 77 des ersten Bandes
(Fig. 42), ist perspektivisch kaum einwand-
frei; trotzdem ist durch die geschickte
Art der Lichtführung eine übersichtliche
Wiedergabe der Säulen, die in verschiede-
nen Tiefenzonen stehen, geglückt. Man
vermeint etwas von dem dämmerigen
Dunkel dieser Hallenkirche zu spüren. Die
an das Hauptblatt anschließenden Minia-
turen sind flüchtiger ausgeführt, gegen
Ende des Bandes arbeitet der Meister Fig. 43. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2771, Fol. 200.

wieder sorgfältiger (Figg. 43 und 44).

Der zweite Band ist von vier Künstlern ausgeführt worden. Der sehr flüchtig arbeitende
Meister B des ersten Bandes hat hier den größten Teil ausgeführt.1 Es bedarf nach dem früher
Gesagten keiner näheren Charakterisierung seiner Künst. Daneben treten im zweiten Bande drei
neue Künstler auf, von denen nur einer ernsthafter Beachtung wert ist.2 Dieser, den wir Meister
A des zweiten Bandes nennen wollen, schuf den Anfang der Handschrift bis fol. 23 (Taf. XX, XXI),
dazu sechs Bilder zwischen fol. 75 und 81'. Er ist dem A des ersten Bandes fast ebenbürtig.

Wir haben also, um schon hier zu resümieren, zwei Hauptmeister, die jeweils den Anfang
ihres Bandes schufen, und einen sehr nachlässig arbeitenden, der schon im ersten Bande eine statt-
liche Reihe Bilder übernahm, dem zweiten aber durch seine quantitativ überwiegenden Bilder sein
Signum aufdrückte.

Begnügen wir uns mit diesen Feststellungen an der Wiener Handschrift.3 Bei meinen Studien
in der Universitätsbibliothek in Lüttich, die durch eine Schenkung des Barons Adrien Wittert in
den Besitz interessanter illuminierter Handschriften gekommen ist, stieß ich auf ein Gebetbuch
(Nr..i3), das wohl als Hauptstück der Bibliothek bezeichnet werden darf. Schon beim Durch-
blättern fiel mir die Zugehörigkeit zu der Wiener Bibel auf; ich machte mich an die Untersuchung

1 Fol. 42 — 73', 82—171', 184 bis zum Schlüsse.

2 Da es sich bei zweien der drei neuen Meister des zweiten Bandes um untergeordnete Künstler handelt, sei ihr
«Werk» hier erledigt. Der eine schuf fol. 175 —182; seine Bilder finden sich mitten zwischen denen des Meisters B des
ersten Bandes er dürfte ein von ihm abhängiger Meister sein; der andere ebenso hölzerne Meister schuf fol. 26—40'.

3 Vogelsang, a. a. O., S. 58, gibt ein paar Andeutungen über die Aufteilung der Miniaturen, die nur teilweise richtig
sind. Er gesteht aber selbst, daß er aus Mangel an Abbildungsmaterial auf eine genaue Aufteilung verzichten mußte.

XXXII. 44
 
Annotationen