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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0343
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Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts.

331

Es bietet Schwierigkeiten, den übrigen Bilderschmuck des Gebetbuches aufzuteilen. Besonders
die große Madonna in der Flammenglorie läßt sich weder dem ersten noch dem zweiten Meister
mit Bestimmtheit zuweisen. Ebenso gehen ausnahmsweise die Umrahmungen, die hier sehr oft
vom Hauptbild unabhängige Bildchen tragen, nicht mit den Miniaturen in der Mitte zusammen.1

Das Lütticher Gebetbuch, das bisher allein dem Künstler der Wiener Bibel zugeschrieben
werden kann,2 birgt erfreulicherweise einige Hinweise auf seine Entstehung. Es wurde für Gysbrecht
von Brederode geschaffen,3 der — dem edelsten und mächtigsten Geschlecht jener Zeit in Holland
entstammend —■ 1455 Bischof von
Utrecht wurde, nach nahezu zwei
Jahren aber zugunsten Davids
von Burgund, eines unehelichen
Sohnes Philipps des Guten, ab-
danken mußte. Auf fol. 127'
(Fig. 46) ist er selbst mit seinem
Schutzheiligen, dem hl. Petrus,
dargestellt, im Hintergrunde ist
an einem Gebäude sein Wappen
angebracht. Oft kommen in den
Ranken zwei gekreuzte brennen-
de Lorbeerhölzer mit einem Eber-
kopf vor, die gleichfalls auf Gys-
brecht von Brederode hinweisen.

Gysbrecht war vor seiner
Wahl zum Bischof Propst an der
Kathedrale von Utrecht.4 Er war
ein Sohn des Walraven von Brede-
rode (f 1417) und wurde ein Jahr
vor dem Tode seines Vaters ge-
boren.5 Schon 1437, als Zwan-
zigjähriger, erlangte er die hohe
Würde des Dompropstes,6 die er
nach kurzer Zeit mit der Bischofs-
würde desselben Bezirkes vertau-
schen sollte. Da Philipp der Gute

diese seinem Sohne David ZUge- F!gi 47. Cmte Paul Durrieu, Les Heures de Turin,

dacht hatte, wurde Gysbrecht

1456 zur Abdankung gezwungen, nachdem sich Philipp der Zustimmung des Papstes versichert
hatte. Gysbrecht blieb im Besitze seiner Würde als Dompropst, wird aber von nun an jedenfalls
ohne allen Einfluß gewesen sein. 1470 ließ David ihn und seinen älteren Bruder Reinhold, der

1 Ich unterscheide drei Gruppen von Rahmen. A: fol. l3', 62', 64', 66'; B: fol. 14', 56', 58', 60', 68', 69; C:
fol. 39', 40, 54'-

2 Ein Gebetbuch in Lüttich (Nr. 34) zeigt einige Verwandtschaft in einzelnen Bildern (Fig. 45). Der Randschmuck ist
teilweise nach flämischer, teilweise nach holländischer Art ausgeführt. — Auch das Missale des Ferry de Clugny (Siena) hat
vielleicht verwandte Miniaturen. Das Titelblatt ist sicher von W. Vrelant.

3 Brassinne, a. a. O., p. 27.

4 P. Voet, Origine, Progres et Gestes memorables des illustres Seigneurs de Brederode, übersetzt von B. Pailhot
Amsterdam 1663, S. 79. — Joannes a Leydis, De origine et rebus gestis Dominorum de Brederode in «Ant. Matthaei Analecta>
(ed. den Haag 1738), Bd. I. — Joannes de Beka et W. Heda, De episcopis ultrajectinis, recogniti ... ab Arn. Buchelio, Ultra-
jecti 1643. _ Kaspar Burman, Utrechtsche Jaarboeken van de vyftiende Eeuw, Utrecht 1754.

5 J. a Leydis, a. a. O., S. 639.
" J. a Leydis, a. a. 0., S. 717.
 
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