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Friedrich Winkler.
schließen sich an. Eine stilistisch völlig abweichende Verkündigung gehörte wohl ebenfalls von jeher
in das Gebetbuch, ist aber in allem so verschieden von den übrigen Miniaturen, daß an ihrer
Ausführung durch einen von dem Hauptmeister völlig unabhängigen Künstler nicht gezweifelt wer-
den kann.
Man hat vermutet, daß das Gebetbuch für die Statthalterin Margarete von Osterreich (gest.
1530) geschaffen sei.1 Nach dem Stil der Bilder kommen die zwei ersten Jahrzehnte des XVI. Jahr-
hunderts allein für die Entstehungszeit in Betracht.
Sehr charakteristische Beispiele der Typik des Meisters findet man in den Darstellungen der
Auferweckung Lazari und des Pfingstfestes. Die Modellierung des Gesichtes macht den Eindruck
des Unfertigen, bei einer ersten Betrachtung möchte man sogar annehmen, daß die Miniaturen
abgerieben seien. Augen und Augen-
brauen, Nase und Mund sind in lockerem
Strich, fast tupfend, eingetragen. Die un-
vertriebenen Modellierungsstriche lassen
die Köpfe oft knochig erscheinen, bei den
Köpfen im Profil ist die Wange hingegen
oft allzusehr gerundet, das Auge verdeckt
dabei die Nasenwurzel (vgl. den Mann
links auf dem Pfingstfest). Ein zweiter
häufig wiederkehrender Typus des Meisters
ist in dem Gebetbuche durch den Johannes
auf Patmos vertreten. Hier umgibt der
Meister das jugendliche Gesicht mit dich-
tem Haar, das sorgfältig gelockt auf die
Schultern herabfällt. Einzelne Strähne
hängen vorn in die Stirn herein, andere
begleiten den Fluß der Locken über die
Wange. Regelmäßig kehren bei dem Mei-
ster zwei Formen der Baumzeichnung
wieder. Auf dem Lazarusbilde sind es
hochstämmige Bäume, deren weitver-
Fig. 53. London, British Museum, Harley Ms. 4425, Fol. 37'. zweigtes Geäst mit punktartigem Laub
bedeckt ist. Meist überschneidet der Bild-
rand die Krone dieser Bäume. Die andere Art der Baumzeichnung ist bei dem Buschwerke des Jo-
hannes auf Patmos einigermaßen zu erkennen. Der Meister gibt hier eine dichte grüne Masse mit
hellen und dunklen Punkten, zwischen den Blättern sieht man hie und da das Gezweig der Aste,
das in dünnen schwarzen Linien eingezeichnet wird.
Auch das Gebetbuch 1887 der Hofbibliothek enthält Werke des Künstlers. Die Vollbilder2
zeigen Darstellungen in Halbfiguren von einem Meister, der mir bisher nur noch aus Bildern der Heures
de Croy beim Herzog von Arenberg bekannt ist.3 Der Meister des Hortulus animae4 ist neben seinem
Gefolgsmann, als der sich jener Meister der Halbfigurenbilder ohne weiteres zu erkennen gibt, nur
schwach vertreten. Die Vollbilder finden sich sämtlich auf der Versoseite der Blätter. Die gegen-
überliegende Rectoseite trägt oben eine Miniatur, unten den Anfang des Gebetes. -Die kleinen Bil-
der der Rectoseite von fol. 15 bis fol. 76 sowie die Miniatur auf fol. 92 sind von dem Meister des
1 Katalog der Miniaturenausstellung der Hofbibliothek 1902, Nr. 10,3.— Gottlieb, Büchersammlung Maximilians I., S. 27.
2 Monatshefte für Kunstwissenschaft 1913, Taf. 64, 65, 67 u. S. 275.
3 Gazette des Beaux-Arts 1911 (September).
4 Monatshefte für Kunstwissenschaft 1913, S. 275.
Friedrich Winkler.
schließen sich an. Eine stilistisch völlig abweichende Verkündigung gehörte wohl ebenfalls von jeher
in das Gebetbuch, ist aber in allem so verschieden von den übrigen Miniaturen, daß an ihrer
Ausführung durch einen von dem Hauptmeister völlig unabhängigen Künstler nicht gezweifelt wer-
den kann.
Man hat vermutet, daß das Gebetbuch für die Statthalterin Margarete von Osterreich (gest.
1530) geschaffen sei.1 Nach dem Stil der Bilder kommen die zwei ersten Jahrzehnte des XVI. Jahr-
hunderts allein für die Entstehungszeit in Betracht.
Sehr charakteristische Beispiele der Typik des Meisters findet man in den Darstellungen der
Auferweckung Lazari und des Pfingstfestes. Die Modellierung des Gesichtes macht den Eindruck
des Unfertigen, bei einer ersten Betrachtung möchte man sogar annehmen, daß die Miniaturen
abgerieben seien. Augen und Augen-
brauen, Nase und Mund sind in lockerem
Strich, fast tupfend, eingetragen. Die un-
vertriebenen Modellierungsstriche lassen
die Köpfe oft knochig erscheinen, bei den
Köpfen im Profil ist die Wange hingegen
oft allzusehr gerundet, das Auge verdeckt
dabei die Nasenwurzel (vgl. den Mann
links auf dem Pfingstfest). Ein zweiter
häufig wiederkehrender Typus des Meisters
ist in dem Gebetbuche durch den Johannes
auf Patmos vertreten. Hier umgibt der
Meister das jugendliche Gesicht mit dich-
tem Haar, das sorgfältig gelockt auf die
Schultern herabfällt. Einzelne Strähne
hängen vorn in die Stirn herein, andere
begleiten den Fluß der Locken über die
Wange. Regelmäßig kehren bei dem Mei-
ster zwei Formen der Baumzeichnung
wieder. Auf dem Lazarusbilde sind es
hochstämmige Bäume, deren weitver-
Fig. 53. London, British Museum, Harley Ms. 4425, Fol. 37'. zweigtes Geäst mit punktartigem Laub
bedeckt ist. Meist überschneidet der Bild-
rand die Krone dieser Bäume. Die andere Art der Baumzeichnung ist bei dem Buschwerke des Jo-
hannes auf Patmos einigermaßen zu erkennen. Der Meister gibt hier eine dichte grüne Masse mit
hellen und dunklen Punkten, zwischen den Blättern sieht man hie und da das Gezweig der Aste,
das in dünnen schwarzen Linien eingezeichnet wird.
Auch das Gebetbuch 1887 der Hofbibliothek enthält Werke des Künstlers. Die Vollbilder2
zeigen Darstellungen in Halbfiguren von einem Meister, der mir bisher nur noch aus Bildern der Heures
de Croy beim Herzog von Arenberg bekannt ist.3 Der Meister des Hortulus animae4 ist neben seinem
Gefolgsmann, als der sich jener Meister der Halbfigurenbilder ohne weiteres zu erkennen gibt, nur
schwach vertreten. Die Vollbilder finden sich sämtlich auf der Versoseite der Blätter. Die gegen-
überliegende Rectoseite trägt oben eine Miniatur, unten den Anfang des Gebetes. -Die kleinen Bil-
der der Rectoseite von fol. 15 bis fol. 76 sowie die Miniatur auf fol. 92 sind von dem Meister des
1 Katalog der Miniaturenausstellung der Hofbibliothek 1902, Nr. 10,3.— Gottlieb, Büchersammlung Maximilians I., S. 27.
2 Monatshefte für Kunstwissenschaft 1913, Taf. 64, 65, 67 u. S. 275.
3 Gazette des Beaux-Arts 1911 (September).
4 Monatshefte für Kunstwissenschaft 1913, S. 275.