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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0352
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Friedrich Winkler.

kleinen Heiligenbildchen ist dieser Stil dann vollkommen zum Schema erstarrt. Das Buch enthält
merkwürdigerweise eine Kopie der Madonna am Kamin des Meisters von Flemalle (Petersburg).1
Auch zwei Einzelblätter des Berliner Kupferstichkabinettes lassen sich dem Meister mit Sicher-
heit zuschreiben, die Madonna mit dem Kinde und die Auferweckung des Lazarus (Nr. 660 u. 1761).

Ein umfangreiches Werk
unseres Künstlers ist der «Ro-
man de la Rose» vom An-
fang des XVI. Jahrhunderts
im Britischen Museum (Har-
ley ms. 4425).2 Die Hand-
schrift enthält vier große und
zahlreiche kleine Bilder. Das
Titelbatt ist ungewöhnlich
sorgfältig durchgeführt und
man erkennt nicht ohne wei-
teres den Meister der ziem-
lich summarisch ausgeführten
genannten Gebetbücher wie-
der. Weicht der Künstler
schon darin von seinem her-
kömmlichen Stil ab, so zwingt
ihn auch der Gegenstand zu
einer Darstellung ganz ande-
rer Situationen als in den
Gebetbüchern. Der Künstler
verwendet nicht das konven-
tionelle Kostüm, in das er
die Personen der biblischen
Geschichte zu kleiden pflegt.
Ausnahmslos werden Zeit-
kostüme im Rosenroman wie-
dergegeben. Der Text nötigte
meist zu Bildern nur mit
einer, beziehungsweise zwei
Personen, die entsprechend
dem Format des Bandes viel
größer als die der Gebet-

Fig.55. Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. lat. I314, Fol. U3\ bÜcher wiedergegeben wer-

den. Die nächsten Verwandten

für diese Figuren finden sich in den Gebetbüchern bei den Miniaturen mit Einzelgestalten. Besonders
die Miniaturen von fol. 22 bis 25' und von 32' bis 38' (Fig. 53) stehen denen des Wiener Gebet-
buches nahe; man vergleiche z. B. den Kopf des Johannes auf Patmos des Gebetbuches 1862 mit
dem des Jünglings auf fol. 24 und 24' der Londoner Handschrift (Fig. 54). Die Bildung der Hände
ist nicht weniger konform.

Wir beobachten auch in der Londoner Handschrift die oben charakterisierte Baumzeichnung;
auf dem Titelbild wie auch z. B. auf fol. 9 gibt er hohe Stämme mit weitverzweigtem Geäst, an

1 Kämmerer, Ahnenreihen aus dem Stammbaum des portugiesischen Königshauses.

2 Warner, Reproductions from illuminated manuscripts 1907, 3. Serie, Taf. XLII. — Kuhn, Die Illustration des Rosen-
romans in diesem Jahrbuch, Bd. XXXI, ioi3, Taf. XIV.
 
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