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Hans Tietze.
fuhrung gelangte. Ob dies der vorhin erwähnte Plan Lucheses war oder ein späterer Burnacinis,
läßt sich schwer entscheiden; letzteres ist jedenfalls wahrscheinlicher, da Luchese bei dem zweiten
Bau des Leopoldinischen Trakts überhaupt nicht genannt wird, Burnacini in dieser Zeit immer
mehr die führende Persönlichkeit in künstlerischen Fragen wird und überdies eine ungewöhnliche
Verwandtschaft mit der Favorita auf der Wieden vorliegt, die sicher von Burnacini ist.
Fol. 216. *Dises ist der kaiserliche lustgarten, Fauorita genannt, welcher eine viertlstund von
der statt, ahvo ihr maj. die verwittibte kaiserin Eleonora in somer ihren lust zu haben
Pflegt-» (Fig- 36-)
Die allgemeine Ubereinstimmung mit der Vischerschen Radierung von 16721 macht es unver-
kennbar, daß diese Aufnahme der Favorita vor i683 entstanden ist; denn damals wurde sie von
den Verteidigern der Stadt völlig zerstört. Die Anlage zeigt die alte Unregelmäßigkeit —■ nament-
Fig. 3y. Unbekanntes Gebäude
(Fol. 217).
lieh die Unterbrechung der Hauptfront durch die Kapelle ist charakteristisch — aber Praemer hat
auch hier die kahlen Gebäudefronten, die die Favorita bei Vischer zeigt, an Außen- und Hofseiten
um eine architektonische Gliederung durch Pilaster und durchlaufende Simse bereichert. Abermals
hat er — und wiederum bei einem kaiserlichen Gebäude — andeuten wollen, wie man ohne tief-
greifende Veränderungen durch einfache Mittel solch veraltete Anlagen mit den modernen Forde-
rungen in Einklang bringen könne, die der Theoretiker und Baudilettant Karl Eusebius von
Liechtenstein, Praemers schon genannter Korrespondent, als eine «-universali- und generalissimam
regulam» so formuliert hat: «niehmals, niehmals und zu ebigen Zeiten kein gebende ohne zierd der
architectur zu führen».2 Praemers Ideen hatten für den Neubau des Schlosses keinen Wert; denn
die Veränderung konnte infolge der vorangegangenen Zerstörung viel radikaler sein. In der neuen
Form, die Burnacini der Favorita von 1687 an gab und die uns die Kleinersche Aufnahme zeigt
(a. a. O., Fig. 99), interessiert uns hauptsächlich die Abtrennung des Attikageschosses und seine
Gliederung durch kurze, ziemlich unvermittelt auf den unteren aufstehende Pilaster, die nach ab-
1 S. Mitteilungen der Zentralkommission 1910, Fig. 97.
2 Viktor Fleischer, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunstsammler, 1910, S. 95.
Hans Tietze.
fuhrung gelangte. Ob dies der vorhin erwähnte Plan Lucheses war oder ein späterer Burnacinis,
läßt sich schwer entscheiden; letzteres ist jedenfalls wahrscheinlicher, da Luchese bei dem zweiten
Bau des Leopoldinischen Trakts überhaupt nicht genannt wird, Burnacini in dieser Zeit immer
mehr die führende Persönlichkeit in künstlerischen Fragen wird und überdies eine ungewöhnliche
Verwandtschaft mit der Favorita auf der Wieden vorliegt, die sicher von Burnacini ist.
Fol. 216. *Dises ist der kaiserliche lustgarten, Fauorita genannt, welcher eine viertlstund von
der statt, ahvo ihr maj. die verwittibte kaiserin Eleonora in somer ihren lust zu haben
Pflegt-» (Fig- 36-)
Die allgemeine Ubereinstimmung mit der Vischerschen Radierung von 16721 macht es unver-
kennbar, daß diese Aufnahme der Favorita vor i683 entstanden ist; denn damals wurde sie von
den Verteidigern der Stadt völlig zerstört. Die Anlage zeigt die alte Unregelmäßigkeit —■ nament-
Fig. 3y. Unbekanntes Gebäude
(Fol. 217).
lieh die Unterbrechung der Hauptfront durch die Kapelle ist charakteristisch — aber Praemer hat
auch hier die kahlen Gebäudefronten, die die Favorita bei Vischer zeigt, an Außen- und Hofseiten
um eine architektonische Gliederung durch Pilaster und durchlaufende Simse bereichert. Abermals
hat er — und wiederum bei einem kaiserlichen Gebäude — andeuten wollen, wie man ohne tief-
greifende Veränderungen durch einfache Mittel solch veraltete Anlagen mit den modernen Forde-
rungen in Einklang bringen könne, die der Theoretiker und Baudilettant Karl Eusebius von
Liechtenstein, Praemers schon genannter Korrespondent, als eine «-universali- und generalissimam
regulam» so formuliert hat: «niehmals, niehmals und zu ebigen Zeiten kein gebende ohne zierd der
architectur zu führen».2 Praemers Ideen hatten für den Neubau des Schlosses keinen Wert; denn
die Veränderung konnte infolge der vorangegangenen Zerstörung viel radikaler sein. In der neuen
Form, die Burnacini der Favorita von 1687 an gab und die uns die Kleinersche Aufnahme zeigt
(a. a. O., Fig. 99), interessiert uns hauptsächlich die Abtrennung des Attikageschosses und seine
Gliederung durch kurze, ziemlich unvermittelt auf den unteren aufstehende Pilaster, die nach ab-
1 S. Mitteilungen der Zentralkommission 1910, Fig. 97.
2 Viktor Fleischer, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein als Bauherr und Kunstsammler, 1910, S. 95.