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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Sitte, Heinrich: Ein vergessenes Parthenonbild
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0431
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Ein vergessenes Partbenonbild.

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Fig. 7. «Carrey», Südmetopen XXI — XXIV (nach Omont, Athenes, pl. 6).

duzieren war; es ist auc,h künstlerisch das bei weitem Beste, was Dalton da leistete, und würde
wohl verdienen, in einem Neudruck wieder leicht zugänglich gemacht zu werden. Daß die Zeich-
nungen nach den Platten des Westfrieses schlechter sind, wird nicht so sehr wundernehmen, wenn
man die Bedingungen erwägt, unter denen sie aufgenommen werden mußten.

Günstiger waren die Aufstellungs- und Beleuchtungsverhältnisse für die Abzeichnung der Öst-
lichen Teile der äußeren Südseite und deshalb sind wohl auch hier die Abweichungen vom Origi-
nale und die Ungenauigkeiten um vieles geringer. Ein Vergleich mit der Gesamtansicht dieses
Teiles des Bauwerkes bei Collignon, Le Parthenon, pl. 6 (Fig. 1), ergibt, daß die stärkeren Be-
schädigungen des Architravs unter Metope XXVII links und unter XXX rechts, ferner am Kapitell
und Architrav bei der Südostecke richtig wiedergegeben sind. Die Metopen selbst stimmen in ihrer
Anordnung ganz unzweifelhaft mit der Reihenfolge bei «Carrey» überein; in diesmal unwesent-
lichen Details sind leicht einzelne Unterschiede von «Carrey» und von den Originalen zu beob-
achten; ein gröberes Versehen kam nur bei der Stellung des rechten Fußes des Lapithen in
Metope XXXI vor, der im Original und bei «Carrey» mit dem Knie gegen den Kentauren gestemmt
ist, während er bei Dalton ähnlich wie in Metope XXXII auf dem Boden aufruht. Unter den
Trümmern, die unten aufgetürmt erscheinen, befindet sich eine der letzten Platten des Südfrieses
mit einem rechtshin schreitenden Rind; sie kann nicht näher identifiziert werden.

Diesem Tatbestand gegenüber erscheint, wie bemerkt, Conzes Urteil manchmal fast absicht-
lich hart; man erinnert sich lieber der eingangs angeführten Worte Michaelis': «die sehr mit Un-
recht bisher vernachlässigten Daltonschen Kupferstiche», dann später wieder: «und doch waren sie
weit besser als alles, was bisher vom Parthenon gezeichnet war, und überhaupt das erste, was da-
von dem Publikum in Abbildung vorgelegt wurde». Trotzdem konnte man 1871 schreiben: «sie
durften daher unberücksichtigt bleiben». Damals war dieser Standpunkt, so unfaßlich er uns heute
erscheinen muß und so gewiß ihn auch Michaelis nicht eingenommen hätte, wenn er nur recht-
zeitig und eben nicht erst «nachträglich» von Dalton erfahren hätte, ganz berechtigt; denn damals
war «Carreys» Rechtschaffenheit noch unangetastet, es gab noch keine Zweifel an unseren sicheren
Zeugnissen, keine unbegründeten Zweifel, die überhaupt niemals so weit hätten gedeihen können,
wenn Daltons Bild nicht in Vergessenheit geraten wäre.

So hätten wir also nur einfach sicher wiedergewonnen, was wir vor Jahren schon sicher be-
saßen, wären einfach wieder auf dem schulmäßig achtsamen Standpunkt des nüchternsten Seminar-
drills angelangt? So arm sind wir durch eigene Schuld geworden, daß selbst das uns schon als
ein Gewinn erscheinen könnte. Aber weist uns Daltons Zeichnung nicht weiter? Handelt es sich
wirklich nur um die Treue und Rechtschaffenheit «Carreys»?

Viel Wertvolleres wird da berührt. Denn: «daß Pheidias die Parthenonkünstler inspiriert
habe, darf seit den bekannten Arbeiten von Loeschke und Puchstein keineswegs als die allgemeine
Annahme hingestellt werden, obgleich diese alte Ansicht wieder an Boden gewinnt», konnte,

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