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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Randglossen zu Venedigs Bronzeplastik der Hochrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0012
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Leo Planiscig.

Sansovino, Tribünenrelief, links.
Venedig, S. Marco.

lief mit dem preisenden Diener an der linken Tribüne des Presbyteriums von S. Marco, wo die
Figur zu äußerst rechts, ein älterer, mit einer bis an die Knie reichenden Tunika bekleideter

Mann, dieselben Hosen trägt, die
ein Band um die Knie schnürt.
Aber auch abgesehen von diesem
recht auffälligen äußerlichen Merk-
mal, das der Spätantike entnom-
men ist (man vergegenwärtige sich
die Barbarenfiguren der Triumph-
bogen und -Säulen römischer Im-
peratoren der Spätzeit sowie die
unter dem direkten Einflüsse die-
ser Werke entstandenen Gestalten
des Giulio Romano in Mantua),
kann man unserer sogenannten
Winterstatuette Nächstverwandtes
in Figuren der Tribünenreliefs
Sansovinos finden. All jene Greise
mit den antikisch-michelangioles-
ken niedrigen und gefurchten
Stirnen, mit den langherabfließen-

den Bärten und den zusammengezogenen Augenbrauen scheinen Varianten eines Idealtypus
für das hohe, aber kräftige Mannesalter zu sein, als dessen Repräsentant auch unsere Statuette

__gelten muß. Man vergleiche sie

mit dem Neptun der Scala dei
Giganti (Fig. 10 und n), der uns
wie eine Paraphrase auf Michel-
angelos Moses anmutet. In dessen
von Haar und Bart dicht um-
rahmten Zügen wird man wiede-
rum die charakteristischen Merk-
male des sansovinesken männli-
chen Idealtypus finden: die Kon-
trapostwendung des Kopfes, den
finsteren Ausdruck, die spitzig zu-
laufende Hakennase, die über die
tiefliegenden, beschatteten Augen
zusammengezogenen Augenbrauen,
den hervorspringenden Hirnkno-
chen, den von links nach rechts
in Locken bewegten Bart, schließ-

Sansovino, Tribünenrelief, links.
Venedig, S. Marco.

Fig. 6.

lieh den herabfallenden, den Mund
bedeckenden Schnurrbart.
Trotz aller individuellen Charakteristik unserer Statuette, die beinahe dazu verleiten könnte,
in ihr die Züge eines venezianischen Zeitgenossen Sansovinos zu erblicken (man wird unwillkürlich
an das Profil Tizians erinnert), geht aus dem Angeführten wohl klar hervor, daß es sich auch hier
ausschließlich um einen in dem Werke des Meisters recht häufig vorkommenden Typus handelt.
Wie an der Tür der Sakristei von S. Marco, an den Tribünenreliefs daselbst oder in der Gestalt
des Neptun an der Scala dei Giganti, tritt er auch in Padua an dem Relief in der Cappella
 
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