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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Randglossen zu Venedigs Bronzeplastik der Hochrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0013
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Randglossen zu Venedigs Bronzeplastik der Hochrenaissance.

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del Santo auf, wo der Thaumaturg dem ertrunkenen Mädchen Carilla das Leben wiedergibt. Der
nur mit einem Mantel bekleidete Mann links (Fig. 12), noch triefend naß auf das von ihm aus
den Fluten hervorgeholte Mädchen blickend, ist aufs engste mit dem Neptun des Dogenpalastes ver-
wandt, gehört somit auch zu jener Gruppe von männ-
lichen Idealgestalten, die nach einem (wahrscheinlich von
der Antike inspirierten) Typus von den Dreißiger- bis in
die Fünfzigerjahre des Cinquecento in der Kunst Sanso-
vinos so oft vorzukommen pflegen. Daß dieser Typus
auch seiner Schule und Nachfolgerschaft nicht fremd
war, beweist das Relief der Justitia von Tiziano Minio
im Mittelfeld der Loggetta (Fig. 16), wo die beiden zu
Füßen der Göttin lagernden Flußgottheiten charakteristi-
sche Nachempfindungen des vom Meister aufgestellten
Urtypus sind, beweist ferner der großartige heil. Hiero-
nymus Vittorias in der Frari-Kirche, der als eine direkte
Abwandlung des Retters am Santo-Relief betrachtet wer-
den kann. Hier möchte ich schließlich einen andern
heil. Hieronymus (Fig. i3) anführen, eine Bronzestatuette
der Estensischen Kunstsammlung zu Wien,1 die qualita-
tiv weit höher als die zwei sogenannten Stromgötter,2 der
Mann auf springendem Pferde3 oder jener im Stellungs-
motiv ähnliche andere Hieronymus des Wiener Hof-
museums 4 einzuschätzen ist. Doch gehören alle diese
Figuren der Nachfolgerschaft Sansovinos; denn alle ver-
raten seinen Einfluß in der Verwendung des hier in den
Vordergrund unserer Betrachtung gerückten männlichen
Idealtypus.

Daß wir mit vollem Rechte von einem sansovines-
ken Idealtypus sprechen können, gestattet uns schließ-
lich der Vergleich der 1554 vom Meister in Wachs
modellierten und dem Gießer Giulio Alberghetti
übergebenen Figur des Thomas Philologus genann-
ten Arztes Rangoni an der Fassade von S. Giuliano
(Fig. g)s mit einer ungefähr gleichzeitigen anonymen
Medaille,6 die den Rangoni zwar auch mit einer Glatze
und mit langem Barte wiedergibt, aber mit dem von
Sansovino geschaffenen und mit seinen gleichzeitigen Wer-
ken übereinstimmenden Typus wenig Gemeinsames hat.
Dabei muß als Charakteristiken hervorgehoben werden,
daß Thomas Philologus, der sich durch eine große
Spende um den Bau von S. Giuliano in hohem Maße

Fig.

Sansovino, Evangelist von der Bronzetür
der Sakristei.

Venedig, S. Marco.

1 Inv.-Nr. 114. Lichter Guß, schwarzer Lackanstrich. H.: 24-5 cm.

2 Schlosser, a. a. O., Taf. XLIV, 1 und 3. — Vergleiche mit dem Typus dieser «Stromgötter» den Bronzekopf angeb-
lich eines alten Kriegers in Venedig, Museo Correr, Saal XI, Nr. i3.

3 Schlosser, a. a. O., Taf. XLIV, 2. 4 Schlosser, a. a. O., Taf.XLV, I.

5 R. Archivio di Stato in Venezia, Sezione Notarile, Atti di Vettor Maffei, 1554. Registro 3l05, c. 632 und 633. —
Vgl. G. Lorenzetti, Vita di Jacopo Tatti, Vasari-Ausgabe bei R. Bemporad, Florenz 1 g13, p. 122. Eine Büste des Rangoni
von der Hand des Alessandro Vittoria, die einst auf dem Grabmale dieses Gelehrten in S. Giminiano stand, befindet sich
jetzt im großen Saale des Ateneo Veneto.

6 Armand, Les Medailleurs Italiens, Paris J 883, Bd. II, p. 196, Nr. 18 und 19.
 
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