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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Randglossen zu Venedigs Bronzeplastik der Hochrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0026
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Leo Planiscig.

III. Tiziano Aspetti.

Die Sammlung J. Pierpont Morgan-London besitzt einen jener häufigen, von den Venezianern
«battaroli» oder «battaori» genannten Türklopfer,1 der an auffälliger Stelle die Bezeichnung GIO
ANTO TAVANI trägt (Fig. 18). Wie die meisten derartigen Stücke aus der zweiten Cinquecento-
hälfte, bewahrt auch dieses die übliche Lyraform: zwei nach abwärts gerichtete, emporschauende

Löwen halten mit den Tatzen
eine Pilgermuscbel, die als Griff
bestimmt ist. Die herzförmige
Lyraöffnung füllt eine aufrecht-
stehende weibliche Figur, die bei
dem Mangel an Attributen schwer
zu deuten ist; man könnte sie
als antike Göttin, als Tugend
oder vielleicht gar als die Venetia
ansehen. Sie ist affektiert be-
wegt, steht auf dem linken Fuß
und stützt den rechten auf einen
zylindrischen Gegenstand, der bei
einer jugendlichen Bacchusfigur
ähnlich vorkommt, wo er mit
Leichtigkeit als Fäßchen bezeich-
net werden kann,2 welcher Deu-
tung er aber hier nicht entspricht.
Ihre Gewänder liegen in großen
Falten am Körper, dessen For-
men sie hier und dort verraten.
Die linke Hand hält sie zur Brust
erhoben, die rechte gesenkt. Der
leicht geneigte Kopf ist nach
rechts gewendet. Die Haare sind
hochfrisiert und mit einem Bande
zusammengehalten. Auf dem Sok-
kel der Pilgermuschel ist die an-
fangs angeführte Bezeichnung ein-
graviert.

Auf Grund dieser Bezeich-
nung hat nun Bode die Kunst-
geschichte um einen Meister bereichert, dessen Werk durch Auffindung stilistisch verwandter Stücke
bereits erweitert wurde. Dem «Giovanni Antonio Tavagni» wird im Berliner Kunstgewerbemuseum
ein dem Morganschen ähnlicher Klopfer,3 der aber keine Aufschrift trägt, zugeschrieben (Fig. 19),
und das Berliner Kaiser Friedrich-Museum besitzt ein ebenso schönes Exemplar,4 das auch die
Lyraform mit den zwei muschelhaltenden Löwen hat, nur daß die füllende Frauenstatuette dies-

Fig. 28. Türklopfer.
Berlin, Kunstgewerbe-Museun

1 Bode, Bronzestatuetten II, 34, und III, CCLXIV.

2 Planiscig, Kleinbronzen aus der Sammlung des Stadtrates Zatzka-Wien, in «Kunst und Kunsthandwerk» (Wien 1916),
S. 105 ff.

3 Siehe die Anmerkung ad Nr. 2C7 in Goldschmidts Katalog der Bronzen des Kaiser Friedrich-Museums zu Berlin.

4 Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epochen, Bd. Iii Fritz Goldschmidt, Die italienischen Bronzen der
Renaissance und des Barocks, Nr. 267: «Giovanni Antonio Tavagni. Um 1575. Tätig in Venedig.» Eine Variante dieses
Stückes in Paris, Sammlung Bischofsheim (Bode, Bronzestatuetten II, CLXXV).
 
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