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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Berenson, Bernard: Eine Wiener Madonna und Antonellos Altarbild von S. Cassiano
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0050
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Bernhard Bercnson.

zur Annahme vorhanden, daß das Bild drei oder vier Jahre früher entstanden ist. Das Gesichts-
oval der Jungtrau rief uns das in der Antvverpener «Kreuzigung» in Erinnerung. Dieses Gemälde
ist vom Jahre 1475 datiert. Sein Hintergrund stellt die Straßen von Messina vor und in den Figuren

sehe ich nichts, was ihr Maler
aus Venedig entlehnt haben müßte.
Ks ist also nicht unwahrscheinlich,
daß dieses Meisterwerk am Beginne
jenes Jahres gemalt wurde, in dem
der Künstler seine Heimat verließ.
Gleichzeitig zeigt die Gesichts-
bildung der Jungfrau einen ge-
wissen Ubergang zu der mehr
konventionellen des Dresdener «Se-
bastian». Das genaue Datum die-
ser vorzüglichen Arbeit muß durch
innere Merkmale bestimmt wer-
den. Welches dieses war, kommt
für unsern Zweck zwar nicht sehr
in Betracht; jenen aber, die Wert
darauf legen, meine Meinung zu
erfahren, getraue ich mich zu
sagen, daß das Bild aller Wahr-
scheinlichkeit nach gemalt wurde,
bevor Antonello Venedig verließ,
also im Jahre 1476. Sicher ist,
daß es nicht entstanden sein kann,
bevor sein Schöpfer mit venezia-
nischen Eindrücken gesättigt war
und bevor er Mantegnas Fresken
in Padua kannte, deren Bekannt-
schaft er leicht auf seinem Wege
nach und von Mailand im Jahre
1479 gemacht haben konnte. Wir
können also schon aus der Ge-
sichtsform der Wiener Madonna
schließen, daß das Bild zwischen
Anfang 1475 und etwa 1476 zu
datieren ist. Andere Erwägungen
bestätigen dies, machen es aber
wahrscheinlich, daß es dem frühe-
ren Werke näher liegt als dem
späteren.

Wir kamen im Verlaufe un-
serer Untersuchungen darauf, daß
es kein morphologisches oder anderes Detail gibt, das uns nicht an das Polyptichon von Mes-
sina aus dem Jahre 1473 und an die Syrakusaner «Verkündigung» von 1474 erinnern würde.
Nun zeigt der Dresdener «Sebastian» deutlich genug, daß Venedig und die Kombardei in Anto-
nello alle gotischen Reminiszenzen vollkommen auslöschten. Wenn solche in unserer Madonna
noch vorhanden sind, kann dies nur deshalb der Fall sein, weil er sie bald nach seiner Ankunft

Fig. 6. Antonello da Messina, Madonna.
.Messina, Museo.
 
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