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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Berenson, Bernard: Eine Wiener Madonna und Antonellos Altarbild von S. Cassiano
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0052
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42

Bernhard Berenson.

Da ein Werturteil mehr Gegenstand der Rhetorik als der Beweisführung ist, will ich über
diese Sache nichts mehr sagen sondern dem aufmerksamen Beschauer nur ans Herz legen, alles
genau und gewissenhaft zu prüfen, bevor er sich für eine andere Ansicht entscheidet.

Damit schließt unsere erste Frage, nämlich die, ob die inneren Merkmale die Ansicht ge-
statten, daß Antonello unser Bild gemalt habe. Die Antwort darauf lautet günstig. Wir gehen

nunmehr zur zweiten über, ob
nämlich etwas dafür spricht, daß
ein anderer Künstler sein Schöp-
fer ist.

Um darauf zu antworten,
haben wir die ganze Reihe der
italienischen oder vielmehr der
venezianischen Maler durchzu-
gehen. Außer einigen wenigen
können wir alle anderen gleich
ausschalten, da sie als Meister
unseres Bildes nicht in Betracht
kommen. Unter den wenigen
stehen natürlich die aus Anto-
nellos eigener Familie und andere
Sizilianer an erster Stelle; dann
einige seiner Nachfolger in Ve-
nedig und endlich Künstler wie
Boccaccino, der Pseudo-Boccac-
cino und Fogolino, die als die
möglichen Schöpfer schon ge-
nannt wurden.

Ich will es nicht unter-
nehmen, hier ausführlich über
Antonellos Sohn, seine Neffen
und seine sizilischen Nachfolger
zu sprechen, da Professor Adolfo
Yenturi im 4. Teile des VII. Ban-
des seiner unentbehrlichen «Storia
dell' arte Italiana» ihre ausführ-
lichen Lebensbeschreibungen mit
entsprechenden Abbildungen be-
reits gegeben hat. Es ist viel-
leicht ein unglücklicher l in-
stand, daß uns von Antonellos
Sohn Jacopo nur ein bekanntes Werk erhalten ist. Dieses eine, die Madonna von Bergamo,
wurde 1490 gemalt, elf Jahre, nachdem sein Schöpfer nach des Vaters Tode dessen unvollendete
Arbeiten fertigzustellen hatte. Er war also zweifellos der Erbe seines Ateliers und seiner Tradi-
tionen; doch zeigt das einzig von ihm erhaltene Werk, daß er nicht Erbe von seines Vaters
Genius war. Denn die Madonna von Bergamo (Fig. 8) ist ein künstlerisches Machwerk von ganz
untergeordneter Bedeutung und geringem Schönheitswert und es ist nicht leicht faßbar, daß der
Mann, der es im Alter von fünfunddreißig Jahren auf der Höhe seiner Schaffenskraft malte, je

Fig. 8. Jacobello da Messina, Madonna.
Bergamo, Galleria Carrara.
 
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