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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Kurth, Betty: Die Blütezeit der Bildwirkerkunst zu Tournai und der Burgundische Hof
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0100
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Betty Kurth.

Seine Zugehörigkeit zu der Schule von Tournai ergibt zur Evidenz die Übereinstimmung aller be-
zeichnenden Merkmale.

Die Beziehungen der besprochenen Tournaiser Teppichgruppe zur zeitgenössischen Miniatur-
malerei sind sehr enge. Die Analoga beschränken sich nicht auf allgemeine Kompositionsprinzi-
pien, auch Formengebung und Detaildurchbildung, Farbenempfinden und Ausdruckswerte sind die
nämlichen.

Unter den für Herzog Philipp den Guten ausgeschmückten Handschriften seien hier vor
allem die «Statuten und Privilegien von Flandern und Gent» der Wiener Hofbibliothek (Cod. 2583)
erwähnt, die zwischen 1454 und 1467 geschaffen wurden und deren Miniaturen die stärkste Stil-
verwandtschaft mit unseren Teppichen aufweisen. Man vergleiche z. B. den Schwanritterteppich

(Fig. 7, 8) mit Fig. 22, man ver-
gleiche Typen und Trachten,
Faltengebung und Modellierung,
die Form des Thronzeltes und
die Verkürzung der Bodenfliesen.
Auch ein Blick auf den zuletzt be-
sprochenen Teppich mit Jüngling
und Dame vor dem Zelt bestä-
tigt die erwähnten Zusammen-
hänge.

Besonders hervorzuheben ist
aber die Ähnlichkeit zwischen
den Bildern des Caesarteppichs
und den Miniaturen der Wiener
Handschrift. Ich verweise nur auf
die Schlachtendarstellungen dort
(Fig. 11) und hier (Fig. 23) oder
auf die Figur Caesars (Fig. 24), die
fast identisch auf einer der Mi-
niaturen (Fig. 25) wiederkehrt.
Man vergleiche Typus und Paß-
gang des Pferdes, Haltung und
Fig. 22. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2583. Körperwendung des Helden, aber

auch die Reiterschar mit den

parallel erhobenen Lanzen oder die grundsätzliche Darstellung des Landschaftsprospekts mit dem
im Hintergrund auftauchenden Stadtbild. Es sind dies Übereinstimmungen, die über generelle
Analogien des Zeitstils weit hinausreichen und einen engeren Schulzusammenhang, ja vielleicht
eine unmittelbare Abhängigkeit vorauszusetzen gestatten.

Winkler hat der interessanten Wiener Handschrift eine eingehende Würdigung und aufschluß-
reiche Besprechung gewidmet.1 Er hält ihre Entstehung in Tournai durchaus für möglich.2 Die
Annahme gewinnt um so mehr an Wahrscheinlichkeit, als eine andere Handschrift, der «Gottes-
staat des heiligen Augustinus» in Brüssel (kgl. Bibl. Nr. 9015/16), die laut Inschrift für Jean
Chevrot, Bischof von Tournai, geschaffen wurde,3 als das Werk des nämlichen Künstlers nach-
gewiesen wird.

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1 Friedrich Winkler, Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts:
Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Band XXXII, Heft 3, S. 3o6.

2 A. a. O., S. 309.

3 Der Bischof scheint die Handschrift Philipp dem Guten geschenkt zu haben, da sie in dessen Bücherinventar von
1467 erscheint (a. a. O., S. 309).
 
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