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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0150
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i38

Ludwig von Baldass.

rebildet und vor allem auf die Gesamtwirkuns berechnet. Der

große Wolkenhimmel

ist nicht

stilisiert sondern ganz naturalistisch gestaltet. In der Behandlung der Farbe beginnt das Lokal-
kolorit der Tonmalerei zu weichen. Das holländische Temperament schlägt durch in der Behand-
lung der Architektur, bei deren Anblick man fast an Werke Jan van der Heydes erinnert wird.

Viel mehr noch als bei Patinir
ist hier die Landschaft vor allem
Schauplatz für die Figuren und
steht die Handlung noch absolut
im Vordergrund des Interesses. Es
dominieren aber nicht mehr die
Einzelfiguren sondern die großen
Massen. Da der Künstler diese
sich weit entfalten ließ, legte er
den Grundstein zu einer neuen
Kompositionsart, die für die Wei-
terentwicklung in den Niederlan-
den von größter Wichtigkeit war.
So ist bei seinem Gang nach
Golgatha im Louvre1 nicht der
unter der Kreuzeslast zusammen-
brechende Christus sondern der
lange Zug von der Stadt zur
Schädelstätte der eigentliche In-
halt der Handlung. Wie bei Pa-
tinir entwickeln sich die Haupt-
linien des Terrains noch parallel zur
Bildebene. Während aber bei dem
älteren Meister die Felsengebirge
aus dem ebenen Terrain ziemlich
unvermittelt aufsteigen, haben wir
hier überall gewelltes Hügel- und
Bergland vor uns. So wirkt die
starke Aufsicht nicht unnatürlich,
weil die Verschiedenheit des Aug-
punktes nicht so leicht festgestellt
werden kann. Charakteristisch ist
die Vernachlässigung des Details,
die tonige Haltung und die atmo-
sphärische Wiedergabe der Ferne.

Fig. 24. Schüler des Barend van Orley, Die Ruhe auf der Flucht
nach Ägypten.
Wien, kaiserliche Gemäldegaleric.

Ungefähr auf derselben Entwick-
lungsstufe steht

das andere Ge-
mälde, das der Louvre vom Braunschweiger Monogrammisten besitzt, das Hochbild der Opferung
Isaaks (Fig. 22). Hier trennt eine scharf betonte Bodenwelle den aufsteigenden Hügel des Vorder-
grundes mit den kontinuierlich dargestellten Szenen der Legende von der Fernlandschaft. Ein ge-
waltiger Fortschritt zeigt sich darin, daß die Häuser und Bäume des Mittelgrundes nun ebenso wie
das Terrain in Aufsicht dargestellt sind. Jeder der beiden scharf getrennten Bildteile ist vollkommen
einheitlich gestaltet.

1 Photographie von Giraudon, Nr. 85g als «Alart Claeszoon».
 
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