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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0160
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Ludwig von Baldass.

4. Peter Bruegel der Alte.

Die frühesten Schöpfungen Peter Bruegels, die auf uns gekommen sind, sind Federzeichnungen,
die das Datum 1552 und 1553 tragen und während seiner nach eben erlangter Freimeisterschaft
unternommenen Reise über die Alpen nach Italien gezeichnet worden sind. Das Erhaltene ist
offenbar nur ein geringer Rest des Entstandenen. Diese Zeichnungen sind Aufnahmen, die der
Künstler vor der Landschaft selbst sitzend zu späterem Gebrauch skizziert hat; es sind aber keine
Naturaufnahmen im modern realistischen Sinn, bei denen der Maler bestrebt ist, das Vorbild mög-
lichst getreu auf seinem Blatte wiederzugeben. Bruegel trägt vielmehr seine fertige Bildidee bereits
in die erste Studie hinein und ändert so aus kompositionellen Gründen manches am Vorwurf oder,
besser gesagt, er trägt auf einem Blatte verschiedene Eindrücke zusammen. Bei einzelnen Zeichnun-
gen, wie bei der 1552 datierten italienischen Landschaft in Berlin (Fig. 32) 1 und bei der Alpenland-
schaft in Dresden,2 die der Künstler später für seine durch den Stich verbreitete Komposition: «In-
sidiosus Auceps» verwendete, scheint sich die künstlerische Umbildung des Vorwurfes auf die ge-
schickte Wahl des Bildausschnittes und auf das Fortlassen alles das Gesamtbild störenden Details zu
beschränken. Andere Blätter, wie die groUe Alpenlandschaft von 1553 im Louvre (Fig. 33),3 erscheinen
mit der Vordergrundskulisse, mit dem diagonal in das Bild hineinverlaufenden und dann jäh um-
biegenden Fluß und mit dem Baum als Eckpfeiler der Komposition so sehr im Geiste der nieder-
ländischen Landschaftsmalerei von der Jahrhundertmitte geschaffen, daß der Ausdruck Naturstudie
auf diese Zeichnungen kaum mehr passen will. Es ist bezeichnend, daß Bruegel bei keinem dieser
Blätter am Detail haften bleibt. Stets steht der Gesamtcharakter des Landschaftsbildes im Vorder-
grund seines Interesses. Auch die Technik dieser unlavierten Bisterzeichnungen mit ihren kurzen,
knappen Strichen steht den Blättern eines Matthijs Cock und Cornelis Massys noch sehr nahe.
Mit den Kompositionen des Matthijs Cock teilen diese ersten Landschaften Bruegels vor allem die
Vernachlässigung des Details und die Klarheit der Anordnung. Sie unterscheiden sich aber durch
das unmittelbare Studium der Natur. Bruegel wollte nicht Entwürfe von Ideallandschaften schaffen
sondern bemühte sich, den besonderen Charakter eines bestimmten Landstriches wiederzugeben.

Im Gegensatz zu den nur für eigenen Gebrauch bestimmten Zeichnungen stehen die für die
Öffentlichkeit bestimmten Landschaftskompositionen, die uns durch Stiche erhalten sind. Zwei
Landschaftsdarstellungen, die mit kleiner Staffage versehen und gestochen wurden, tragen neben
dem Verlegerzeichen den Vermerk: Petrus Bruegel fecit Romae Ao. 1553.4 Ohne diese Beischrift
würden wir kaum darauf verfallen, diese nordischen, jedes Lokalcharakters entbehrenden Land-
schaften in Bruegels italienische Zeit zu setzen.5 Der Stich mit Dädalus und Ikarus erinnert in
der klaren Übersichtlichkeit der Komposition wie in der Art der Detailbehandlung noch stark an
die Landschaften des Matthijs Cock. Ein altertümlicheres Gepräge zeigt der Stich mit der Erhöhung
Psyches (Fig. 34). Eine auffallende Ubereinstimmung verbindet diese Komposition mit der Fluß-
landschaft Jan Mostaerts in London. Nicht nur die allgemeine Anlage sondern auch Einzelheiten,

1 Nr. 2 des Zeichnungenkatalogs von van Bastelaer (van Bastelaer et de Loo, Feter Bruegel l'ancien, Bruxelles 1907,
p. 170 ff.). Der Katalog ist alles eher als vollständig.
- van Bastelaer, a. a. ()., Nr. 3.

3 van Bastelaer, a. a. O., Nr. 17.

4 Sämtliche Stiche nach l'eter Bruegel sind ausführlich beschrieben und abgebildet bei van Bastelaer, Les Estampes
de Peter Bruegel, Bruxelles 1908.

5 Eine Landschaftskomposition aus Bruegels voritalienischer Zeit hat sich möglicherweise in einer aquarellierten Feder-
zeichnung im herzoglichen Museum zu Braunschweig erhalten. Das Blatt, es ist 23-5 cm hoch und 28 cm breit, trägt die
merkwürdige alte Bezeichnung: «pieter bruegel fecit der oude an 1548». Da es sich offenbar um eine Nachzeichnung aus
der Zeit des jungen Peter Bruegel handelt, fällt die Entscheidung schwer. Doch geht die Komposition dieser diagonal auf-
gebauten Gebirgslandschaft mit einer befestigten Stadt am Meeresgestade gut mit den zwei Stichvorlagen von 1553 zusammen.
Auch die Vordergrundkulisse mit dem Maler fehlt nicht.
 
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