DOI Heft:
I. Teil: Abhandlungen
DOI Artikel:Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0169
Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel.
157
Die Entwicklung, die die Kunst Bruegels im letzten Jahrzehnt seines Lebens genommen hat,
führt vom bilderbogenartigen Nebeneinander zur dramatisch zusammengefaßten Handlung, von der
Vedute zum Naturausschnitt, von der Vielheit zur Einheit. In der Beherrschung der malerischen
Mittel steht der Künstler bereits 155g auf der Höhe. Erst in den allerletzten Bildern zeigt sich
eine Hell-in-Hellmalerei, die atmosphärische Erscheinungen noch vollendeter wiedergibt und eine
neue Stilperiode zu verheißen scheint, die der 1569 eingetroffene Tod unterbrochen hat. Die Natur-
beobachtung Bruegels ist frisch und unmittelbar. Dabei ist der Künstler alles eher als ein nackter
Naturalist, er drückt vielmehr alles auf die knappste, prägnanteste Form aus. In dieser Art des
Reduzierens zeigt sich ein hoher Stilwille. Das Wunderbare besteht darin, daß kein Eindruck
unverarbeitet wiedergegeben wird und daß dennoch keiner die Unmittelbarkeit der Wirkung einbüßt.
So sehr Bruegel aus der Tradition herauswächst und so sehr seine Werke als Zusammen-
fassung alles bisher in der niederländischen Malerei Erreichten aufzufassen sind, so sehr stehen
seine großen Gemälde, die beide entgegengesetzten Pole der Landschaftsmalerei, die kompo-.
nierte Weltlandschaft und den einfachen Naturausschnitt, umfassen, am Beginn einer neuen Zeit.
Die Vereinigung von Großartigkeit des Stils und Unmittelbarkeit der Wirkung, die uns die klare,
leuchtende, glasharte Oberfläche seiner Tafelgemälde bietet, bedeutet einen absoluten Höhepunkt
in der Geschichte der Kunst. Lange steht die niederländische Landschaftsmalerei im Banne seines
gemalten Werkes. Von Bruegel aus führen Fäden zu allen bahnbrechenden Meistern der kommen-
den Generationen in Belgien wie in Holland: zu Gillis van Coninxloo und Rubens, zu Herkules
Seghers und Rembrandt.
Fig. 3y. Peter Bruegel, Niederländischer Bauernhof, Teilausschnitt aus dem Gemälde «-Der Vogeldieb».
Wien, kaiserliche Gemäldegalerie.
157
Die Entwicklung, die die Kunst Bruegels im letzten Jahrzehnt seines Lebens genommen hat,
führt vom bilderbogenartigen Nebeneinander zur dramatisch zusammengefaßten Handlung, von der
Vedute zum Naturausschnitt, von der Vielheit zur Einheit. In der Beherrschung der malerischen
Mittel steht der Künstler bereits 155g auf der Höhe. Erst in den allerletzten Bildern zeigt sich
eine Hell-in-Hellmalerei, die atmosphärische Erscheinungen noch vollendeter wiedergibt und eine
neue Stilperiode zu verheißen scheint, die der 1569 eingetroffene Tod unterbrochen hat. Die Natur-
beobachtung Bruegels ist frisch und unmittelbar. Dabei ist der Künstler alles eher als ein nackter
Naturalist, er drückt vielmehr alles auf die knappste, prägnanteste Form aus. In dieser Art des
Reduzierens zeigt sich ein hoher Stilwille. Das Wunderbare besteht darin, daß kein Eindruck
unverarbeitet wiedergegeben wird und daß dennoch keiner die Unmittelbarkeit der Wirkung einbüßt.
So sehr Bruegel aus der Tradition herauswächst und so sehr seine Werke als Zusammen-
fassung alles bisher in der niederländischen Malerei Erreichten aufzufassen sind, so sehr stehen
seine großen Gemälde, die beide entgegengesetzten Pole der Landschaftsmalerei, die kompo-.
nierte Weltlandschaft und den einfachen Naturausschnitt, umfassen, am Beginn einer neuen Zeit.
Die Vereinigung von Großartigkeit des Stils und Unmittelbarkeit der Wirkung, die uns die klare,
leuchtende, glasharte Oberfläche seiner Tafelgemälde bietet, bedeutet einen absoluten Höhepunkt
in der Geschichte der Kunst. Lange steht die niederländische Landschaftsmalerei im Banne seines
gemalten Werkes. Von Bruegel aus führen Fäden zu allen bahnbrechenden Meistern der kommen-
den Generationen in Belgien wie in Holland: zu Gillis van Coninxloo und Rubens, zu Herkules
Seghers und Rembrandt.
Fig. 3y. Peter Bruegel, Niederländischer Bauernhof, Teilausschnitt aus dem Gemälde «-Der Vogeldieb».
Wien, kaiserliche Gemäldegalerie.