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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0178
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Rudolf Oldenbourg.

Anschaungen, die sich eben erst zu bilden begannen, außer Spiel zu lassen. Die nächstfolgende
datierbare Arbeit aber, die Anbetung der Könige in Madrid von 1609, setzt in dem völligen
Umschwung der bisher geltenden Grundsätze einen längeren Umgang mit neuen, dem Roma-
nismus fremden, den Caracci entgegengesetzten Gesichtspunkten voraus und damit beginnt das

eigentliche Gebiet unseres Interesses.

Rubens unter dem Zeichen
des römischen Naturalis-
mus.

Schon während der letzten Jahre
in Italien muß Rubens gefühlt haben,
daß die Formen der klassischen Mei-
ster, in denen er sich bisher ausge-
drückt hatte, eines neuen Inhaltes be-
dürften. Ihn unbefangen aus seinem
eigenen Empfinden und seinem tiefen
Sinn für Wirklichkeit und Ueben zu
schöpfen, hatte ihm seine Schule von
früh an gebieterisch untersagt. Im
strengsten Gegensatz zu der lebensfrohen
Kunst des großen Brueghel aufgewach-
sen, trennten ihn unausgleichbare Wider-
sprüche der künstlerischen Konfession
von jenem Genius, dem er im Inner-
sten so nahe stand und die reichste
Förderung seiner Persönlichkeit hätte
verdanken können. Der äußere An-
stoß, dessen er bedurfte, mußte vom
Süden kommen und er erfuhr ihn, in-
dem er den aufwühlenden Umschwung
miterlebte, den Caravaggio durch sein
kühnes Eintreten für rücksichtslose
Wahrheit in Auffassung und Wieder-
gabe des Gegenstandes in Rom hervor-
rief. Die Bedeutung, die schon Karel van Mander dem aufgehenden Stern des Uombarden für
die niederländische Malerei prophezeit hatte, schien sich an Rubens zuerst erfüllen zu sollen.
Denn jetzt, da er den Naturalismus auf klassischem Boden antraf, in der Sprache des Südens,
die nun einmal die autoritative Gewalt besaß, schien eine Einigung mit seinem romanistischen
Credo zum mindesten möglich und er mußte sich um so tiefer von ihm ergriffen fühlen, als er
gerade damals an einem Punkt angelangt war, wo ihm der Klassizismus, eklektischer oder manie-
ristischer Natur, nichts mehr geben konnte. In den Bildern für die Mantuaner Jesuitenkirche
hatte er das Ideal seiner Schule mit einer persönlichen Macht und künstlerischen Vollendung
verwirklicht wie keiner vor ihm; doch konnte dieses Hochgefühl seinem nach neuem Stoff ver-
langenden Gestaltungsbedürfnis nicht genügen.

Durch die Berührung mit Caravaggio erwacht nun seine angeborene, aber von jeher unterbun-
dene Freude an der Beobachtung und Wiedergabe des warmen, pulsierenden Lebens und führt
ihn nach langer Selbstentfremdung auf seine eigentliche Individualität zurück. Dabei forderte der

Fig. 4.

Rubens, Venus und Adonis.
Düsseldorf, Akademie.
 
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