Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.
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finden sich plötzliche, willkürliche Wendungen in seiner Laufbahn, sondern der starke Strom
traditioneller Werte, den er in sich führt, gibt seinem ganzen Schaffen einen stetigen Kurs, der
sich in schwachen Kurven fortbewegt, und nur die eben angedeuteten Erlebnisse in Rom ver-
mochten ihn einmal stärker aus seiner Bahn abzudrängen.
Kaum in die Heimat zurückgekehrt, wirft er sich mit Leidenschaft auf die Gestaltung bewegter,
womöglich dramatischer Szenen, die er der Bibel oder der Mythologie entnimmt. In Erzählungen
von drastischer Anschaulichkeit bricht seine Freude am Miterleben und Mitempfinden sprudelnd
hervor und erst jetzt, da er den festen Boden des ihm angeborenen Realismus gewinnt, setzt seine
persönliche Entwicklung im eigentlichen Sinne ein. Was vorauslag, war ein Vorspiel, die Lehr-
Fig. 7. Rubens, Der wunderbare Fischzug.
Stich von Soutman.
zeit, w-ährend der er tastend und ohne rechtes Bewußtsein seines innersten Wesens Kenntnisse
und Erfahrungen gesammelt hatte.
Als historischer Beleg für das ausgesprochen persönliche Verhältnis, in dem Rubens zur
Kunst Caravaggios stand, gilt uns nicht bloß sein warmes Eintreten für den von der Kirche
Madonna della Scala zurückgewiesenen «Tod Mariae», das die Erwerbung des Bildes durch den
Herzog von Mantua zur Folge hatte. Viel mehr noch bürgt sein Verkehr mit Elsheimer für eine
nähere Auseinandersetzung mit den neuen Erscheinungen des Naturalismus; denn obgleich Elsheimer
seinem Wesen nach Caravaggio viel fremder gegenüberstand als Rubens, hat er sich doch in
seinen Nachtstücken und in der schönen Kopie nach dem «David» des Palazzo Spada laut zu ihm
bekannt, was um so mehr bedeutet, als man sonst in seiner italienischen Zeit kaum dem leisesten
Eindruck eines zeitgenössischen Künstlers begegnet. Außerdem berichtet auch Sandrart, fast über-
treibend, von dem Zusammenhang zwischen Rubens und Caravaggio, auf den er wohl nicht so
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finden sich plötzliche, willkürliche Wendungen in seiner Laufbahn, sondern der starke Strom
traditioneller Werte, den er in sich führt, gibt seinem ganzen Schaffen einen stetigen Kurs, der
sich in schwachen Kurven fortbewegt, und nur die eben angedeuteten Erlebnisse in Rom ver-
mochten ihn einmal stärker aus seiner Bahn abzudrängen.
Kaum in die Heimat zurückgekehrt, wirft er sich mit Leidenschaft auf die Gestaltung bewegter,
womöglich dramatischer Szenen, die er der Bibel oder der Mythologie entnimmt. In Erzählungen
von drastischer Anschaulichkeit bricht seine Freude am Miterleben und Mitempfinden sprudelnd
hervor und erst jetzt, da er den festen Boden des ihm angeborenen Realismus gewinnt, setzt seine
persönliche Entwicklung im eigentlichen Sinne ein. Was vorauslag, war ein Vorspiel, die Lehr-
Fig. 7. Rubens, Der wunderbare Fischzug.
Stich von Soutman.
zeit, w-ährend der er tastend und ohne rechtes Bewußtsein seines innersten Wesens Kenntnisse
und Erfahrungen gesammelt hatte.
Als historischer Beleg für das ausgesprochen persönliche Verhältnis, in dem Rubens zur
Kunst Caravaggios stand, gilt uns nicht bloß sein warmes Eintreten für den von der Kirche
Madonna della Scala zurückgewiesenen «Tod Mariae», das die Erwerbung des Bildes durch den
Herzog von Mantua zur Folge hatte. Viel mehr noch bürgt sein Verkehr mit Elsheimer für eine
nähere Auseinandersetzung mit den neuen Erscheinungen des Naturalismus; denn obgleich Elsheimer
seinem Wesen nach Caravaggio viel fremder gegenüberstand als Rubens, hat er sich doch in
seinen Nachtstücken und in der schönen Kopie nach dem «David» des Palazzo Spada laut zu ihm
bekannt, was um so mehr bedeutet, als man sonst in seiner italienischen Zeit kaum dem leisesten
Eindruck eines zeitgenössischen Künstlers begegnet. Außerdem berichtet auch Sandrart, fast über-
treibend, von dem Zusammenhang zwischen Rubens und Caravaggio, auf den er wohl nicht so
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