Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

DOI Heft:
I. Teil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0187
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.

I73

Typen wie der stiernackige Geharnischte mit dem krausen Haar, der sich dort über die Wiege
beugt, oder der Sultan selbst, der hinter dem Krieger hervorsieht, ferner auch das frontal gestellte
Pferd, das sich der profilmäßig orientierten Gruppe so schlecht einordnet, oder gar die abenteuer-
liche Pelzmütze mit der breiten Krampe, die einer der Greise im Hintergrunde trägt, bieten mit
der Zeichnung von Elsheimer zu genaue Analogien, als daß hier die unmittelbare Beziehung der
beiden Künstler übersehen werden könnte.

Etwa gleichzeitig mit der Epiphanie entsteht die «Susanne» der Madrider Akademie, in der
Rubens das Thema von der derbsten Seite faßt: die schwerfällige nackte Frau sieht sich hilflos
den zudringlichen Greisen gegenüber. Dabei wird die platte Sinnlichkeit der Auffassung durch
den prachtvollen, Schwung des Frauenkörpers

und der ihn umspielenden Gewandmassen weit
über alles Anstößige in ein rohes, aber echtes
Pathos erhoben. Es waltet ein Ernst in der
Vertiefung des Vorganges, ein kühnes Zugrei-
fen nach dem Darstellbaren und Darstellens-
werten, neben dem alle Susannen der voraus-
gehenden hundert Jahre in den Niederlanden
wie schüchterne Versuche oder sinnlose Schau-
stellungen verzwickter Aktfiguren anmuten.
Die Anordnung scheint ganz improvisiert und
allein die Erregung des Augenblicks beherrscht
die Darstellung bis in das zerwühlte Linienspiel
der Gewänder.

Fast noch ergreifender ist die Version
des gleichen Themas, die durch den schönen
Holzschnitt von Jegher berühmt geworden ist:
Die Alten dringen von beiden Seiten auf ihr
vor Scham zerknirscht zusammensinkendes
Opfer, das seinen Verfolgern kaum noch
Widerstand entgegenzusetzen wagt. Zweifel-
los darf das Gemälde in der Turiner Pina-
kothek als das Original angesprochen werden

und seine tiefe, warme Färbung sowie die Pro- Fig. i3. Rubens, Kain und Abel,

venienz aus dem Palazzo Durazzo in Genua Anonymer Stich,

legen die Vermutung nahe, daß es noch in

Italien entstanden sein könnte. Dasselbe gilt von dem «Abschied von Venus und Adonis» in
Düsseldorf (Fig. 4), wie denn überhaupt aus den früher angeführten Gründen die Übersiedelung
nach Antwerpen im Schaffen des Künstlers keinen scharf wahrnehmbaren Termin bildet, sondern
mitten in die Zeit seiner Befreiung vom Romanismus fällt.

Die Zweifel, die in jüngster Zeit gegen die gewaltige, von heißem Leben durchglühte Gruppe
des Düsseldorfer «Adonis» erhoben wurden,1 scheinen die von mir erbrachten Argumente für die
Echtheit des Bildes in keinem Punkte zwingend zu widerlegen.2 Es sei daher nur noch auf ein
ganz äußerliches Merkmal verwiesen, das für die Urheberschaft von Rubens in der Zeit von 1608
bis 1610 so äußerst kennzeichnend ist: die anormal kleine Bildung der Köpfe. Sie ist schon den
Heiligen am Altar der Chiesa Nuova eigentümlich, kehrt in der Disputa der Kirchenväter (Fig. 1)
wieder und steigert sich in den Heiligen an den Außenflügeln der Kreuzaufrichtung von 1610 zu

1 Repertorium für Kunstwissenschaft XL (1917), S. 212. Die Beteiligung von Schülerhand sei nicht in Abrede gestellt.

2 Zeitschrift für bildende Kunst XXVII, S. 14.3. Ob das Düsseldorfer Bild zu dem «Abschied von Venus und Ado-
nis» der früheren Marlborough-Sammlung (Rooses, Oeuvre Nr. 694) in engerer Beziehung steht, vermag ich nicht anzugeben.
 
Annotationen