Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.
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in peinlichem Gegensatz. Es ist schon längst erkannt worden, daß Rubens hier eine antike Statue
in die ihm eigentümliche naturalistische Inkarnierung übersetzt, nachdem er sie in vier peinlichen
Zeichnungen (St. Petersburg, Akademie) von verschiedenen Standpunkten aus aufgenommen hatte.
Neben ihr bleibt den Begleitfiguren als gleichmäßig abgewogenen Statistenmassen nur wenig
Möglichkeit zur Entfaltung und
auch durch die abstoßende Ein-
zelschilderung der im Todes-
kampf zusammensinkenden Ge-
stalt des gichtischen Greises er-
hält die nüchterne Auffassung
keine innere Belebung. Dazu
tritt die unsichere Haltung der
Farbe, die aus dem schweren
Helldunkel und den warmen Tö-
nen der früheren Zeit zu einer
kühleren Stimmung hinstrebt,
ohne noch die rechte Klarheit
der Schattentöne zu finden. Den
ursprünglichen Zustand des Mün-
chener Bildes lernen wir aus
einem Stich von A. Voet (Fig. 16)
kennen, der allerdings nicht vor.
dem Original entstanden sein
kann, da Voet erst i6i3 geboren
wurde, das Bild aber, zum Teil
von Rubens eigenhändig, späte-
stens um 1620 erweitert worden
ist. Der Umstand, daß der Stich
seitlich genau mit den Fugen
der Anstückung des Gemäldes
abschließt und auch Einzelhei-
ten, wie die Bücher auf dem
Boden, die wesentlich erhöhte
Form des Messingbeckens oder
den Spieß des Soldaten, die in
ihrer auffallend breiten Behand-
lung als spätere Zutaten deutlich
zu erkennen sind, nicht wieder-
gibt, beweist, daß er nach einer
treuen Kopie des Originals ge-
arbeitet ist, wie sie Rubens ge-
rade in dieser Zeit häufig von seinen Schülern herstellen ließ.1 Nur der leere Streifen, den der
Stecher am oberen Rand anfügt, dürfte als eine Willkür seinerseits oder des Kopisten anzusehen sein;
wenigstens entspricht der jetzige Abschluß des Originals mit den dicht an den Rand stoßenden
Köpfen besser den gleichzeitigen, stark gefüllten Kompositionen.
Fig. 22. Rubens, Die Auferstehung Christi.
Aus dem Brevier von [614.
Stich von c. Galle.
1 Eine solche, gerade nach dem Seneca, besitzt das Stockholmer Museum. Nach der höchst gediegenen Durchführung
und dem schweren, bläulich-kalten Ton handelt es sich um eine jedenfalls noch vor 1615 ausgeführte Schülerkopie, deren
Ausschnitt mit dem Stich übereinstimmt, die jedoch darin abweicht, daß sie die beiden Soldaten wegläßt. — Die Original-
studie für den Kopf besitzt die Karlsruher Kunsthalle.
XXXIV. 26
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in peinlichem Gegensatz. Es ist schon längst erkannt worden, daß Rubens hier eine antike Statue
in die ihm eigentümliche naturalistische Inkarnierung übersetzt, nachdem er sie in vier peinlichen
Zeichnungen (St. Petersburg, Akademie) von verschiedenen Standpunkten aus aufgenommen hatte.
Neben ihr bleibt den Begleitfiguren als gleichmäßig abgewogenen Statistenmassen nur wenig
Möglichkeit zur Entfaltung und
auch durch die abstoßende Ein-
zelschilderung der im Todes-
kampf zusammensinkenden Ge-
stalt des gichtischen Greises er-
hält die nüchterne Auffassung
keine innere Belebung. Dazu
tritt die unsichere Haltung der
Farbe, die aus dem schweren
Helldunkel und den warmen Tö-
nen der früheren Zeit zu einer
kühleren Stimmung hinstrebt,
ohne noch die rechte Klarheit
der Schattentöne zu finden. Den
ursprünglichen Zustand des Mün-
chener Bildes lernen wir aus
einem Stich von A. Voet (Fig. 16)
kennen, der allerdings nicht vor.
dem Original entstanden sein
kann, da Voet erst i6i3 geboren
wurde, das Bild aber, zum Teil
von Rubens eigenhändig, späte-
stens um 1620 erweitert worden
ist. Der Umstand, daß der Stich
seitlich genau mit den Fugen
der Anstückung des Gemäldes
abschließt und auch Einzelhei-
ten, wie die Bücher auf dem
Boden, die wesentlich erhöhte
Form des Messingbeckens oder
den Spieß des Soldaten, die in
ihrer auffallend breiten Behand-
lung als spätere Zutaten deutlich
zu erkennen sind, nicht wieder-
gibt, beweist, daß er nach einer
treuen Kopie des Originals ge-
arbeitet ist, wie sie Rubens ge-
rade in dieser Zeit häufig von seinen Schülern herstellen ließ.1 Nur der leere Streifen, den der
Stecher am oberen Rand anfügt, dürfte als eine Willkür seinerseits oder des Kopisten anzusehen sein;
wenigstens entspricht der jetzige Abschluß des Originals mit den dicht an den Rand stoßenden
Köpfen besser den gleichzeitigen, stark gefüllten Kompositionen.
Fig. 22. Rubens, Die Auferstehung Christi.
Aus dem Brevier von [614.
Stich von c. Galle.
1 Eine solche, gerade nach dem Seneca, besitzt das Stockholmer Museum. Nach der höchst gediegenen Durchführung
und dem schweren, bläulich-kalten Ton handelt es sich um eine jedenfalls noch vor 1615 ausgeführte Schülerkopie, deren
Ausschnitt mit dem Stich übereinstimmt, die jedoch darin abweicht, daß sie die beiden Soldaten wegläßt. — Die Original-
studie für den Kopf besitzt die Karlsruher Kunsthalle.
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