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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0200
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Rudolf Oldenbourg.

stilistischen Ausdruck sucht. Dementsprechend werden in diesen ganzen Jahren möglichst ruhige,
zuständliche Situationen gewählt, die wenige Figuren erfordern, während Rubens später, unter
neuen Gesichtspunkten, in den nämlichen Stoffen gerade die bewegtesten Momente aufsucht: Aus
der Geschichte des Simson greift er den Augenblick, da der betrogene Riese in rasender Wut aus
dem Schlummer auffährt (München), und die Liebestat der Pero schildert er, während sich die
Jungfrau erschreckt durch das Geräusch von nahenden Tritten umwendet und der festgebundene

Alte, der an ihrer Brust
hängt, der hastigen Bewe-
gung schwerfällig zu fol-
gen sucht (Amsterdam).

Leider ist das Origi-
nal des «Simson» verschol-
len; doch kann eine kleine
Kopie auf einem Gemälde
von Francken in der Mün-
chener Pinakothek die Aus-
sage des nüchternen Stiches
dahin ergänzen, daß der
Helldun keleffekt, noch in
Caravaggios Geschmack,
außerordentlich stark war,
d. h., daß die Szene tat-
sächlich im Dunkeln spielte
und das Licht nur auf den
Figuren im Vordergrund
lag, wodurch die Rundung
der Körper erst recht her-
vortrat. Die ganz statua-
risch durchdachte Kompo-
sition wurde denn auch
für die Bildhauerkunst un-
mittelbar folgenreich, was
zwei Simsongruppen von
A. Quellinus in Brüssel und
Fig. 25. Rubens, Pausias und Glycera. Berlin beweisen, und scheint

London, Herzog von Westminster. Überhaupt noch lange als

vorbildlich gegolten zu ha-
ben: Van Dyck benützt sie etwa zehn Jahre später, freilich ohne jeden Sinn für ihre monumen-
tale Wucht, in seinem Simsonbild in Dulwich; Bronckhorst wiederholt sie in einem Bild der Wiener
Akademie (dort A. Bloemaert zugeschrieben) und Rubens selbst bildet sie weiter in dem «Schlafen-
den Silen» der Wiener Akademie (Taf. XIX), seiner frühesten, noch wenig ansprechenden bacchischen
Komposition, die auf eine Anregung von Giulio Romano zurückgeführt wird.1

Rooses spricht allerdings dem Wiener Bild nicht bloß die Eigenhändigkeit ab, sondern will
auch die Komposition nicht als ein Werk des Meisters anerkennen. Diesem Zweifel treten wir
gegenüber mit dem Zeugnis von Wyngaerdes Stich, der ausdrücklich Rubens als den Urheber
angibt, ferner aber mit der Behauptung, daß der hochverehrte und verdiente Antwerpener Forscher
vom stilistischen Charakter gerade der Werke, die sich um die Kreuzaufrichtung gruppieren, keine

1 Vgl. Rooses, Oeuvre de Rubens III, S. 95.
 
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