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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0203
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Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.

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gewaltigen Schwung des übernatürlichen Erwachens verzichtet und ihn durch ein sanftes Aufwärts-
gleiten ersetzt. Der starke kompositionelle Zwang aber, unter dem sich die Figuren schon in der
ersten Fassung in die zu füllende Ecke als bloße Masse einzufügen haben, und die dabei entfaltete
Beherrschung eines reichen Spieles von Bewegung erinnert gerade wieder viel mehr an Raffael
als an irgendeinen Meister des Barocks. In dem vorne kauernden Kriegsknecht treffen wir sogar
eine jener Versatzfiguren, die Rubens — ganz im Sinn des alten Romanismus — später in andere
Kompositionen verpflanzt («Großes
jüngstes Gericht» und zwei Varia-
tionen der «Bekehrung Pauli»). Die
spätere Fassung des Breviars zeigt
vollends nicht bloß in der Christus-
figur sondern auch in jedem einzel-
nen der Soldaten die genau abge-
wogene Funktion, die jede Figur,
nicht ganz ohne Verhehlung des
Planes, im Bildorganismus vertritt,
und mehrere gleichzeitige, von Ge-
hilfen ausgeführte Varianten des
Auferstehenden in Florenz (Privat-
gemächer des Pitti-Palastes), Sans-
souci und Straßburg beweisen, daß
Rubens das Thema in immer neuen
Bemühungen zu bewältigen suchte,
um es endlich zu der sicheren,
glatten Rundung zu führen, die es
in dem Stich des Breviars erreicht.

Zu den wenig erfreulichen
Erzeugnissen dieser Zeit gehört auch
die «Verkündigung» des Wiener
Hofmuseums,1 die man wegen ihrer
Empfindungsarmut und der sicht-
lich lieblosen Behandlung aus dem
Werk des Meisters streichen wollte.
Es heißt aber doch die robuste
zeichnerische Kraft in diesem Engel
mit seinem rauschenden Mantel und die echt naive Erfindung der Putten verkennen, wenn man,
wie Ebenstein, das Bild für ein Werkstatterzeugnis der zwanziger Jahre ansieht. Die von oben
einfallenden Lichtstrahlen sind der «Judith» nachgebildet, während der nämliche Engel und die
eigentümlich unterhöhlte Faltung der Gewänder auf dem gleichzeitg entstandenen «Opfer Abra-
hams» wiederkehrt.2 Beide Bilder stehen, ähnlich wie die «Auferstehung», bei unverkennbarer
Kraft an Erfindung doch in jenem unglücklichen Augenblick, wo das Temparament des Künstlers sich
in Widerstreit befindet zu der formalen Gebundenheit, der er sich geflissentlich unterwirft, und
wo die kalte Färbung eine fast krampfhafte Reaktion auf die immer noch trüben Töne der
«Kreuzabnahme» bezeichnet. Auch von der «Verkündigung» bringt das Breviar eine glücklichere
Neugestaltung, die ein Rubens-Nachahmer seinen Repliken in Dublin und Mecheln (St. Jean) zu-

Fig. 28.

Rubens, Venus säugt Liebesgötter.
Stich von C. Galle.

1 Abgebildet bei Ernst Ebenstein, Der Hofmaler Franz Luycx: Jahrbuch XXVI, 188, Fig. 5.

3 Laut einer brieflichen Erwähnung vom Oktober 1614 war dieses Bild damals schon fertiggestellt. Ob das Exemplar
der soeben versteigerten Sammlung Unger in Cannstatt (jetzt bei Herrn Garbatv in Berlin) das Original war, vermag ich,
ohne es gesehen zu haben, nicht zu entscheiden.
 
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