Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

DOI issue:
I. Teil: Abhandlungen
DOI article:
Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0212
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
198

Rudolf Oldenbourg.

stofflichen Gebieten. Die Gruppe der sitzend versammelten Figuren z. B., wie sie der «Loth»
(Fig. 8) und, wesentlich leichter und freier, die spätere Variante bei Feral sowie das Viergötter-
bild in Kassel behandelt hatten, rindet ihre reinste Lösung in dem anmutigen Bild des Wiener
Hofmuseums (um 1615), das den kleinen Jesusknaben mit drei Gespielen darstellt (Taf. XXI). Wie
hier die vier Figuren ineinandergreifen, sich gewandt überschneiden, ohne sich zu verdecken,
und im Einklang mit dem inhaltlichen Motiv innerlich verbinden, bedeutet gegenüber den ähn-
lichen Bildern der früheren Jahre eine wohltuende Entspannung des kompositionellen Zwanges.

Das Wiener Bild gehört
einer Gruppe von Kompositionen
an, in denen Rubens mit innigem
Behagen dem naiven, anmutsvollen
Gebaren des Kindes nachgeht,
allein auch hier nicht bloß auf
die naturalistische Anregung hin
sondern in enger Fühlung mit
der älteren Kunst. Für das frü-
heste dieser Bilder, die Ceres-
statue, die von Putten umkränzt
wird, in St. Petersburg, hat schon
Haberditzl nachgewiesen, dal.! in
dieser mühelos aus einem Wurf
komponierten Gruppe der tekto-
nisch wichtigste der Putten eine
Nachbildung des «Knaben mit
der Gans» ist,1 und es findet sich
außerdem, daß der oberste im
Profil der «Erziehung des Amor»
von Correggio entstammt, die
Rubens in Mantua für Rudolf II.
hatte kopieren müssen und von
der er zweifellos eine Zeichnung
nach Hause gebracht hatte. Das
vollkommenste dieser Kinderbil-
der, der «Früchtekranz» in Mün-
chen, mit seiner scharf berechne-
ten, wenn auch meisterhaft ver-
hehlten Symmetrie (1615—1616),
knüpft wieder, wie wahrscheinlich
die ganze Gruppe dieser Kinderbilder, an einen Bildgedanken von Raffael an.2

Wenn Rubens in diesen anmutigen Bildern, zu denen ihn augenscheinlich sein heranwach-
sendes Töchterchen (geb. 21. März 1611) anregte, zartere, wärmere Töne trifft, so gilt im all-
gemeinen doch von seinen Werken der Jahre 1612—1615, daß sie durch ihre Teilnahmslosigkeit
am Inhalt und durch das Vorwiegen technischer und formaler Absichten neben den Erzeugnissen
der vorausgehenden Jahre enttäuschen. Das einmal aufgegriffene Thema wird inhaltlich und formal
nach allen Möglichkeiten abgewandelt, wobei das Hervorziehen berühmter Werke der Antike und
der Renaissance oder auch eigener, früherer Erfindungen fast auf jedem Schritt festzustellen ist.

Fig. 36. Rubens, St. Franziskus vor der Madonna.
Lille, Museum.

1 a. a. O., S. 277 ff.

2 Die sogen. «Giuocchi di putti», die, vom Meister mit dem Würfel gestochen, im Raffael-Atelier als Vorlagen für
Teppiche entstanden waren.
 
Annotationen