Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.
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Weniger glücklich wird der gleiche Bildgedanke in der «Madonna mit der Taube» variiert
(Fig. 45), wo das lebhafte Spiel der beiden Kinder und die zu starke Teilnahme der Alten den
weihevoll gemäßigten Ton, den Raffael in ähnlichen Fällen, wie in der Madonna Franz' 1.,
beobachtet, außer Acht läßt und ein unschönes Aneinanderprallen der vier Köpfe zur Folge hat.
Da wir in der Beurteilung dieses Bildes nur auf einen unzulänglichen Stich angewiesen sind,
könnten Zweifel bestehen, ob es überhaupt eine Rubenssche Komposition sei. Allein auch die
halbfigurige heilige Familie der Wallace-Sammlung (Fig. 46),1 die in ihrer soliden, überaus
nüchternen malerischen Durchbildung für die Zeit um 1614 höchst bezeichnend ist, besitzt noch
Fig. 40. Rubens, Der Zinsgroschen.
Berlin, Sammlung Koppel.
nicht die volle Sicherheit in der Disponierung der fünf Köpfe, die Rubens mit stärkeren
Mitteln in der ganztigurigen, von Vorsterman gestochenen heiligen Familie (Fig. 47, Original
früher bei Charles Butler in London) zur Geltung bringt. Die störende Cäsur zwischen der Ma-
donna und der Elisabeth, die sich auf die Wiege stützt, um über Marias Schulter auf das Kind
zu blicken, legt die Vermutung nahe, daß die Figur der Anna durch eine äußere Veranlassung
dem Bild hat angefügt werden müssen und dadurch die Ablenkung von dem Linienfluß der
Hauptgruppe verursacht wurde. Diese ist in einem mächtigen diagonalen Zug aufgebaut, die
Madonna mit dem Kind innig und anmutsvoll verbunden und auch der schüchterne kleine Jo-
hannes durch die ermunternde Zuspräche des Josef und das aufspringende Lamm in die große
Linie mühelos einbezogen.
1 Die kleine achteckige Wiederholung der Madonna Wallace beim Herzog- von Wellington in Apsley House ist
Schülerarbeit.
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Weniger glücklich wird der gleiche Bildgedanke in der «Madonna mit der Taube» variiert
(Fig. 45), wo das lebhafte Spiel der beiden Kinder und die zu starke Teilnahme der Alten den
weihevoll gemäßigten Ton, den Raffael in ähnlichen Fällen, wie in der Madonna Franz' 1.,
beobachtet, außer Acht läßt und ein unschönes Aneinanderprallen der vier Köpfe zur Folge hat.
Da wir in der Beurteilung dieses Bildes nur auf einen unzulänglichen Stich angewiesen sind,
könnten Zweifel bestehen, ob es überhaupt eine Rubenssche Komposition sei. Allein auch die
halbfigurige heilige Familie der Wallace-Sammlung (Fig. 46),1 die in ihrer soliden, überaus
nüchternen malerischen Durchbildung für die Zeit um 1614 höchst bezeichnend ist, besitzt noch
Fig. 40. Rubens, Der Zinsgroschen.
Berlin, Sammlung Koppel.
nicht die volle Sicherheit in der Disponierung der fünf Köpfe, die Rubens mit stärkeren
Mitteln in der ganztigurigen, von Vorsterman gestochenen heiligen Familie (Fig. 47, Original
früher bei Charles Butler in London) zur Geltung bringt. Die störende Cäsur zwischen der Ma-
donna und der Elisabeth, die sich auf die Wiege stützt, um über Marias Schulter auf das Kind
zu blicken, legt die Vermutung nahe, daß die Figur der Anna durch eine äußere Veranlassung
dem Bild hat angefügt werden müssen und dadurch die Ablenkung von dem Linienfluß der
Hauptgruppe verursacht wurde. Diese ist in einem mächtigen diagonalen Zug aufgebaut, die
Madonna mit dem Kind innig und anmutsvoll verbunden und auch der schüchterne kleine Jo-
hannes durch die ermunternde Zuspräche des Josef und das aufspringende Lamm in die große
Linie mühelos einbezogen.
1 Die kleine achteckige Wiederholung der Madonna Wallace beim Herzog- von Wellington in Apsley House ist
Schülerarbeit.