2 IO
Rudolf Oldenboun;.
Es braucht daher nicht zu überraschen, wenn die Nötigung, seine Leistungskraft extensiv zu
steigern, unmittelbar umgestaltend auf dieselbe eingewirkt haben sollte. Jedenfalls mußte der Weg
zur Gründung einer Werkstatt zunächst immer erst auf die akademische Kunst des Romanismus
zurückführen, nicht nur, weil hier die Disziplin der Arbeitsteilung schon längst gepflegt worden
war, sondern vor allem, weil sie den gemeinsamen Ausgangspunkt bot, auf dem Rubens sich mit
den schwächeren Kräften, die er
sich als Gehilfen verbinden wollte,
treffen konnte. Wenn er also das
hinreißende Feuer, mit dem er
in den Jahren 160g—1610, alle
weit hinter sich zurücklassend,
vorwärts gestürmt war, mit einer
gesetzteren Sprache vertauscht, so
liegt dies zunächst im Interesse
einer tiefer greifenden Verständi-
gung mit seinen Werkstattorganen,
ferner aber in der Voraussetzung,
t^^^P^y daß überhaupt nur eine ideale
» v'S R%f^^^/T .-' J Kunst von stark objektiver Aus-
1 • JBi^^w^R*^ -4M ^Hjj^flB emL' ^r^e'tste^un8
! großen Stil ermögliche. Wenn
^^^^1 das Konzept des Meisters durch
I jjt ^^^8 die Gehilfen selbständig entwickelt
^ werden sollte, so mußte die Ästhe-
^HHl tik seines Schaffens von Zufällig-
I *V *f£^^^S0^^jP~ |9 keiten der spontanen Eingebung
gereinigt sein und zu der eigen-
tümlich treffenden Tvpik ausreifen,
die in jedem einzelnen Zug den
Stempel des Beabsichtigten, Ge-
setzmäßigen trägt.
In diesem bedeutungsvollen
Augenblick kommt der universelle,
kosmische Charakter von Rubens'
Kunst erst recht zum Bewußtsein;
denn es genügt ihm nicht, ge-
wisse Rezepte für den manuellen
Betrieb aufzustellen, nach denen
seine Vorbilder mechanisch ins Große übertragen werden konnten, sondern er hält sich dazu
an, die Form seiner künstlerischen Äußerung grundsätzlich zu klären und ein Weltbild von so
allgemeiner Verständlichkeit und Überzeugungskraft auszubauen, daß sich auch andere Künstler
in dasselbe einleben und in seinen Gestalten produktiv ausdrücken konnten. Und wenn er hierin
seinen Gehilfen entgegenkam, so stand ihm von ihrer Seite die ganze künstlerische Disziplin zur
Verfügung, um die sich die Niederländer seit hundert Jahren bemüht hatten. Man war schon
längst gewöhnt, sich einem fremden Geist unterzuordnen, und jetzt, da im engsten Zusammen-
hang mit den bisher geltenden italienischen Meistern ein mächtiger Prophet im eigenen Land auf-
trat, war nichts natürlicher, als daß die nach dem Süden gerichteten Interessen sich plötzlich auf
Rubens konzentrierten und damit ein ungemein produktives System von ineinanderwirkenden
künstlerischen Kräften ins Leben trat, das dem angeborenen Drang des Meisters nach allgemein
Fit
46. Rubens, Die heilige Familie.
London, Wallacc-Sammlung.
Rudolf Oldenboun;.
Es braucht daher nicht zu überraschen, wenn die Nötigung, seine Leistungskraft extensiv zu
steigern, unmittelbar umgestaltend auf dieselbe eingewirkt haben sollte. Jedenfalls mußte der Weg
zur Gründung einer Werkstatt zunächst immer erst auf die akademische Kunst des Romanismus
zurückführen, nicht nur, weil hier die Disziplin der Arbeitsteilung schon längst gepflegt worden
war, sondern vor allem, weil sie den gemeinsamen Ausgangspunkt bot, auf dem Rubens sich mit
den schwächeren Kräften, die er
sich als Gehilfen verbinden wollte,
treffen konnte. Wenn er also das
hinreißende Feuer, mit dem er
in den Jahren 160g—1610, alle
weit hinter sich zurücklassend,
vorwärts gestürmt war, mit einer
gesetzteren Sprache vertauscht, so
liegt dies zunächst im Interesse
einer tiefer greifenden Verständi-
gung mit seinen Werkstattorganen,
ferner aber in der Voraussetzung,
t^^^P^y daß überhaupt nur eine ideale
» v'S R%f^^^/T .-' J Kunst von stark objektiver Aus-
1 • JBi^^w^R*^ -4M ^Hjj^flB emL' ^r^e'tste^un8
! großen Stil ermögliche. Wenn
^^^^1 das Konzept des Meisters durch
I jjt ^^^8 die Gehilfen selbständig entwickelt
^ werden sollte, so mußte die Ästhe-
^HHl tik seines Schaffens von Zufällig-
I *V *f£^^^S0^^jP~ |9 keiten der spontanen Eingebung
gereinigt sein und zu der eigen-
tümlich treffenden Tvpik ausreifen,
die in jedem einzelnen Zug den
Stempel des Beabsichtigten, Ge-
setzmäßigen trägt.
In diesem bedeutungsvollen
Augenblick kommt der universelle,
kosmische Charakter von Rubens'
Kunst erst recht zum Bewußtsein;
denn es genügt ihm nicht, ge-
wisse Rezepte für den manuellen
Betrieb aufzustellen, nach denen
seine Vorbilder mechanisch ins Große übertragen werden konnten, sondern er hält sich dazu
an, die Form seiner künstlerischen Äußerung grundsätzlich zu klären und ein Weltbild von so
allgemeiner Verständlichkeit und Überzeugungskraft auszubauen, daß sich auch andere Künstler
in dasselbe einleben und in seinen Gestalten produktiv ausdrücken konnten. Und wenn er hierin
seinen Gehilfen entgegenkam, so stand ihm von ihrer Seite die ganze künstlerische Disziplin zur
Verfügung, um die sich die Niederländer seit hundert Jahren bemüht hatten. Man war schon
längst gewöhnt, sich einem fremden Geist unterzuordnen, und jetzt, da im engsten Zusammen-
hang mit den bisher geltenden italienischen Meistern ein mächtiger Prophet im eigenen Land auf-
trat, war nichts natürlicher, als daß die nach dem Süden gerichteten Interessen sich plötzlich auf
Rubens konzentrierten und damit ein ungemein produktives System von ineinanderwirkenden
künstlerischen Kräften ins Leben trat, das dem angeborenen Drang des Meisters nach allgemein
Fit
46. Rubens, Die heilige Familie.
London, Wallacc-Sammlung.