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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0226
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2 I 2

Rudolf Oldenbourg.

in der bloßen zeichnerischen Wiedergabe das vollblütige Gedeihen mit, bei dem selbst das Un-
belebte und Nebensächliche zu sprechender Wirkung ersteht.

Wie sich dann dieses Formempfinden mit der inhaltlichen Gestaltung innigst verbindet, zeigt
etwa der «Sebastian» in Berlin (um 1614), der zu den frühesten Werken der voll erreichten
Reife zählt.1 Welcher Uberschwang des Umrisses, welche Übertreibungen zugunsten des bloßen
linearen Schwunges, ja welche Unnatur in der trotz des geraden Stehens krampfhaft in sich

zusammengezogenen Haltung, bei
der sich der Körper im Konflikt
mit den Fesseln machtvoll hervor-
wölbt! Dabei doch die strengste
Konsequenz in dieser Willkür, der
gleiche Pulsschlag in den immer
wiederkehrenden Wogen der Linie,
das empfundene Gleichgewicht in
der Korrespondenz der seitlichen
Umrisse. Über den ungeheuren
persönlichen Willen, der diese
Kreatur geformt hat, wird man
jedoch den Zusammenhang mit
der zeichnerischen Stilisierung der
alten manieristischen Schule nicht
vergessen, der hier viel klarer zu-
tage liegt als etwa in der «Epi-
phanie» von 160g oder gar in
den in Italien entstandenen Arbei-
ten, die doch zeitlich jenem ge-
wundenen Zeichenstil Spranghers
viel näher stehen.

Auch in der klaren Entwick-
lung der einzelnen Körper und
ihrer plastischen Rundung knüpft
Rubens wieder an die alte Schule
an. Von jeher hatte es zum We-
sen der niederländischen Kunst
gehört, die Natur in täuschender
Greifbarkeit wiederzugeben, und
diese Tendenz, die Hugo van der
Goes so glänzend vertritt, war im allgemeinen auch von den Romanisten beibehalten worden.
Unter dem Einfluß Venedigs schien Rubens eine Zeitlang ein flächenhaftes Auflösen der kubischen
Formen anzustreben, doch besitzt schon die «Geißblattlaube» wieder die strenge, glatte Kontinuität
der plastischen Wölbung, auf die er noch in Rom durch Michelangelo zurückgeführt worden war.
Diese gedeiht in Bildern wie dem Thomasaltar oder den Orgelflügeln der Liechtenstein-Galerie bis
zur gemalten Plastik und zieht dabei jede Einzelheit unter den Gesichtspunkt des Monumentalen.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß hierin, wie auch in koloristischer Hinsicht, der bedeutendste
Künstler, den Rubens bei seiner Heimkehr in Antwerpen vorfand, der wenig gekannte Abraham
Janssens, von Einfluß für ihn war, wie überhaupt der in seiner Vaterstadt herrschende Klassizismus
seine Rückkehr vom Naturalismus Caravaggios zwar sicher nicht verursachen aber doch befördern

Fig. 48.

Rubens, Madonna mit dem Nähkorb.
Sanssouci, Gemäldegalerie.

1 Abgeb. bei Rosenberg a. a. O., S. 32.
 
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