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Ludwig von Baldass.
same Lehrer Ouwaters wie Geertgens sein müßte, angehöre, von Ouwater aber einzig die Auf-
erweckung erhalten sei. Dann versänke Ouwater wieder in mystisches Dunkel, das sich nur erklä-
ren ließe, wenn es sich um einen ganz jung verstorbenen Maler handelte. Dagegen aber spricht
schon der große Auftrag des Pilgeraltars1 und die zahlreichen von Michiel in Venedig erwähnten
Bilder,2 ja seine große Berühmtheit. Für diese Lösung ist auch das schon von Bode stark her-
vorgehobene ganz eyckische Gepräge der Berliner Auferweckung des Lazarus anzuführen. Wäre
Ouwater nur ein Enkelschüler des Jan van Eyck gewesen, so wäre dieses Bild wohl ebenso
frei von Stilreminiszenzen an den Schulgründer wie Geertgens frühe Kreuzigung. Sind aber
in der genannten Gruppe wirklich Frühwerke Ouwaters, beziehungsweise Kopien nach solchen
erhalten, so erscheint es geboten, das Nachwirken dieses Stils in der übrigen altniederländischen
Kunst zu untersuchen und durch diese Probe die
Richtigkeit des Exempels auf anderem Wege zu
beweisen.
Als ein vereinzeltes Werk eines holländischen
Künstlers, das dem Stile nach etwa zwischen
1450 und 1460 entstanden sein muß, glaube ich
die sehr figurenreiche Kreuzigung in der Samm-
lung Traumann in Madrid3 (Fig. 8) ansprechen
zu können. Die Tafel gehört in die unmittelbare
Nähe von Ouwaters Frühwerken. Der Crucifixus
und die Gruppe der Reiter sind in enger Anlehnung
an den Petersburger Kreuzigungsflügel gestaltet.
Die genrehaften Figuren der um den Rock Christi
würfelnden und darob in Streit geratenen Kriegs-
knechte erinnern wieder an die Kreuztragung und
die Figuren im Hintergrund an die Mannalese. Die
Stadt Jerusalem ist in der engen Schachtelung der
Häuser dem offenbar vor der Kreuztragung entstan-
denen Bilde der drei Marien am Grabe sehr ähn-
lich. Die großen Errungenschaften Ouwaters um
die Vertiefung der Landschaft hat der Nachfolger,
der das Traumannsche Bild gemalt hat, nicht ver-
standen. Da er aber auf den Reichtum an landschaft-
lichen Einzelschönheiten, die der Meister entfal-
tete, nicht verzichten wollte, griff er zu dem altertümlichen, durch Jan van Eyck überwundenen
Mittel der Anordnung übereinander. In dieser Art die Landschaft aufzuklappen aber, in einzelnen
Typen, vor allem in Profilköpfen wie dem ganz links im Vordergrunde, in den lebhaft bewegten
Genrefiguren, den Akten der auferstehenden Seligen und dem Höllenbrand zeigt sich der Maler als
Vorläufer des Hieronymus Bosch. Da die ungefähr 1470 —1480 entstandenen Jugendwerke dieses
Künstlers, wie ich andern Ortes ausgeführt habe,4 in manchen Zügen noch an die St. Petersburger
Flügel erinnern — es sind auch die Genrefiguren des Meisters von Herzogenbosch mit einzelnen
Gestalten der Mannalese, vor allem mit dem gebückten Alten zu vergleichen — und offenbar auf
diesen Kunstkreis zurückzuleiten sind, so wird in dem Traumannschen Bilde ein wichtiges Zwi-
schenglied, das Ouwater mit Bosch verbindet, aufgedeckt.
Fig.
Aelbert van Ouwater, Die Mannalese.
Douai, Museum.
1 Siehe Karel van Mander (Ausgabe von Floerke) I, S. 67.
2 Le molte tauolette de paesi per la maggior parte sono de la mano de Alberto de Holanda (Casa del Cardinale
Grimani 1521): Anonimo Morelliano, Ausgabe von Frimmel: Quellenschriften N. F. I (Wien 1888), S. 102.
3 Die Überlassung der Photographie verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Regierungsrates Dr. Camillo List.
4 Die Chronologie der Gemälde des Hieronymus Bosch: Jahrbuch der k. preuß. Kunstsamml. XXXVIII (1917), S. 177fr.
Ludwig von Baldass.
same Lehrer Ouwaters wie Geertgens sein müßte, angehöre, von Ouwater aber einzig die Auf-
erweckung erhalten sei. Dann versänke Ouwater wieder in mystisches Dunkel, das sich nur erklä-
ren ließe, wenn es sich um einen ganz jung verstorbenen Maler handelte. Dagegen aber spricht
schon der große Auftrag des Pilgeraltars1 und die zahlreichen von Michiel in Venedig erwähnten
Bilder,2 ja seine große Berühmtheit. Für diese Lösung ist auch das schon von Bode stark her-
vorgehobene ganz eyckische Gepräge der Berliner Auferweckung des Lazarus anzuführen. Wäre
Ouwater nur ein Enkelschüler des Jan van Eyck gewesen, so wäre dieses Bild wohl ebenso
frei von Stilreminiszenzen an den Schulgründer wie Geertgens frühe Kreuzigung. Sind aber
in der genannten Gruppe wirklich Frühwerke Ouwaters, beziehungsweise Kopien nach solchen
erhalten, so erscheint es geboten, das Nachwirken dieses Stils in der übrigen altniederländischen
Kunst zu untersuchen und durch diese Probe die
Richtigkeit des Exempels auf anderem Wege zu
beweisen.
Als ein vereinzeltes Werk eines holländischen
Künstlers, das dem Stile nach etwa zwischen
1450 und 1460 entstanden sein muß, glaube ich
die sehr figurenreiche Kreuzigung in der Samm-
lung Traumann in Madrid3 (Fig. 8) ansprechen
zu können. Die Tafel gehört in die unmittelbare
Nähe von Ouwaters Frühwerken. Der Crucifixus
und die Gruppe der Reiter sind in enger Anlehnung
an den Petersburger Kreuzigungsflügel gestaltet.
Die genrehaften Figuren der um den Rock Christi
würfelnden und darob in Streit geratenen Kriegs-
knechte erinnern wieder an die Kreuztragung und
die Figuren im Hintergrund an die Mannalese. Die
Stadt Jerusalem ist in der engen Schachtelung der
Häuser dem offenbar vor der Kreuztragung entstan-
denen Bilde der drei Marien am Grabe sehr ähn-
lich. Die großen Errungenschaften Ouwaters um
die Vertiefung der Landschaft hat der Nachfolger,
der das Traumannsche Bild gemalt hat, nicht ver-
standen. Da er aber auf den Reichtum an landschaft-
lichen Einzelschönheiten, die der Meister entfal-
tete, nicht verzichten wollte, griff er zu dem altertümlichen, durch Jan van Eyck überwundenen
Mittel der Anordnung übereinander. In dieser Art die Landschaft aufzuklappen aber, in einzelnen
Typen, vor allem in Profilköpfen wie dem ganz links im Vordergrunde, in den lebhaft bewegten
Genrefiguren, den Akten der auferstehenden Seligen und dem Höllenbrand zeigt sich der Maler als
Vorläufer des Hieronymus Bosch. Da die ungefähr 1470 —1480 entstandenen Jugendwerke dieses
Künstlers, wie ich andern Ortes ausgeführt habe,4 in manchen Zügen noch an die St. Petersburger
Flügel erinnern — es sind auch die Genrefiguren des Meisters von Herzogenbosch mit einzelnen
Gestalten der Mannalese, vor allem mit dem gebückten Alten zu vergleichen — und offenbar auf
diesen Kunstkreis zurückzuleiten sind, so wird in dem Traumannschen Bilde ein wichtiges Zwi-
schenglied, das Ouwater mit Bosch verbindet, aufgedeckt.
Fig.
Aelbert van Ouwater, Die Mannalese.
Douai, Museum.
1 Siehe Karel van Mander (Ausgabe von Floerke) I, S. 67.
2 Le molte tauolette de paesi per la maggior parte sono de la mano de Alberto de Holanda (Casa del Cardinale
Grimani 1521): Anonimo Morelliano, Ausgabe von Frimmel: Quellenschriften N. F. I (Wien 1888), S. 102.
3 Die Überlassung der Photographie verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Regierungsrates Dr. Camillo List.
4 Die Chronologie der Gemälde des Hieronymus Bosch: Jahrbuch der k. preuß. Kunstsamml. XXXVIII (1917), S. 177fr.