14
Ludwig von Baldass.
Komposition und in der Einrahmung der Szenen durch eine in Grisaille ausgeführte Scheinarchitek-
tur ist Rogierscher Einfluß unverkennbar. Vor allem die Heimsuchung zeigt im Aufbau der Gruppe
und in der Landschaft Übereinstimmungen mit Rogiers eigenhändigen Variationen dieses Themas in
Lützschena und Turin, die über allgemein ikonographische Zeittendenzen weit hinausgehen. Dabei
zeigt sich bei Bouts eine gewisse Derbheit, eine Unbeholfenheit in den Bewegungen und Plumpheit
in den Typen, die Rogiers Kunst
fremd ist. Eine gewisse Stilver-
wandtschaft mit Werken des Pe-
trus Christus, etwa mit den Ber-
liner Flügeln von 1452, ist un-
leugbar, ohne daß es sich dabei
um mehr als ein verwandtes
Temperament und Rassengemein-
schaft handeln dürfte. Um 1450
sind denn wohl auch die Ma-
drider Tafeln entstanden. Wenig
später ist eine kleine Zahl von
Bildern anzusetzen, die noch eine
gewisse Steifheit aber doch schon
schlankere Formen aufweisen, so
die Berliner Kreuzigung mit der
Ansicht der Stadt Brüssel im Hin-
tergrund, so die zwischen Petrus
und Paulus thronende Madonna
der Londoner National Gallery,
die Lukasmadonna in Pennrhvn
Castle1 und die Krönung Mariae
in der Wiener Akademie. Eine
weitere Reihe von Gemälden des
Dirk Bouts geht dann fast völlig in
Rogierschen Stiltendenzen unter.
Diese Bilder unterscheiden sich
von den Spätwerken des Brüsseler
Stadtmalers, die offenbar das Vor-
bild abgegeben haben, fast nur
mehr durch die geänderte Far-
bengebung. Dabei schreckte Bouts,
wie fast alle großen Künstler sei-
ner Zeit, vor gelegentlichen direk-
ten Entlehnungen keineswegs zu-
rück. So scheint in der Pietä im
Louvre ein verschollenes Gemälde
Rogiers fast wörtlich kopiert zu sein. Auch der Altar in Granada2 enthält verschiedene Ent-
lehnungen aus Rogierschen Bildern. Die Hauptgruppe der Kreuzabnahme ist einer verlorenen,
Fig. 10. Dirk Bouts, Geburt Christi.
Madrid, Prado-Museum.
1 Abgebildet in Friedländers Meisterwerken der Brügger Leihausstellung 1902, München 1903, T. 21. In seine Liste
der Werke des Bouts 1916 nicht aufgenommen.
2 Eine Detailreproduktion des Mittelbildes in der Gazette des beaux ans 1908, II, p. 293. Eine genaue Wiederholung
in Valencia (abgebildet bei Durand-Greville, a.a.O., p. 135) wird von Tschudi (siehe dagegen Voll, Altniederländische Malerei,
Leipzig 1906, S. 3o3) und anscheinend auch von Friedlander für eine eigenhändige Wiederholung angesehen.
Ludwig von Baldass.
Komposition und in der Einrahmung der Szenen durch eine in Grisaille ausgeführte Scheinarchitek-
tur ist Rogierscher Einfluß unverkennbar. Vor allem die Heimsuchung zeigt im Aufbau der Gruppe
und in der Landschaft Übereinstimmungen mit Rogiers eigenhändigen Variationen dieses Themas in
Lützschena und Turin, die über allgemein ikonographische Zeittendenzen weit hinausgehen. Dabei
zeigt sich bei Bouts eine gewisse Derbheit, eine Unbeholfenheit in den Bewegungen und Plumpheit
in den Typen, die Rogiers Kunst
fremd ist. Eine gewisse Stilver-
wandtschaft mit Werken des Pe-
trus Christus, etwa mit den Ber-
liner Flügeln von 1452, ist un-
leugbar, ohne daß es sich dabei
um mehr als ein verwandtes
Temperament und Rassengemein-
schaft handeln dürfte. Um 1450
sind denn wohl auch die Ma-
drider Tafeln entstanden. Wenig
später ist eine kleine Zahl von
Bildern anzusetzen, die noch eine
gewisse Steifheit aber doch schon
schlankere Formen aufweisen, so
die Berliner Kreuzigung mit der
Ansicht der Stadt Brüssel im Hin-
tergrund, so die zwischen Petrus
und Paulus thronende Madonna
der Londoner National Gallery,
die Lukasmadonna in Pennrhvn
Castle1 und die Krönung Mariae
in der Wiener Akademie. Eine
weitere Reihe von Gemälden des
Dirk Bouts geht dann fast völlig in
Rogierschen Stiltendenzen unter.
Diese Bilder unterscheiden sich
von den Spätwerken des Brüsseler
Stadtmalers, die offenbar das Vor-
bild abgegeben haben, fast nur
mehr durch die geänderte Far-
bengebung. Dabei schreckte Bouts,
wie fast alle großen Künstler sei-
ner Zeit, vor gelegentlichen direk-
ten Entlehnungen keineswegs zu-
rück. So scheint in der Pietä im
Louvre ein verschollenes Gemälde
Rogiers fast wörtlich kopiert zu sein. Auch der Altar in Granada2 enthält verschiedene Ent-
lehnungen aus Rogierschen Bildern. Die Hauptgruppe der Kreuzabnahme ist einer verlorenen,
Fig. 10. Dirk Bouts, Geburt Christi.
Madrid, Prado-Museum.
1 Abgebildet in Friedländers Meisterwerken der Brügger Leihausstellung 1902, München 1903, T. 21. In seine Liste
der Werke des Bouts 1916 nicht aufgenommen.
2 Eine Detailreproduktion des Mittelbildes in der Gazette des beaux ans 1908, II, p. 293. Eine genaue Wiederholung
in Valencia (abgebildet bei Durand-Greville, a.a.O., p. 135) wird von Tschudi (siehe dagegen Voll, Altniederländische Malerei,
Leipzig 1906, S. 3o3) und anscheinend auch von Friedlander für eine eigenhändige Wiederholung angesehen.