Mabuses «Heilige Nacht», eine freie Kopie nach Hugo van der Goes.
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ähnlich auch auf der kleinen Epiphanie der Liechtensteingalerie und vor allem auf einer noch zu
besprechenden Geburt Christi, deren Komposition nur in graphischen Nachbildungen erhalten ist,
vorfindet.
Das Auffallendste an dieser altniederländischen Komposition der Geburt Christi ist jedenfalls
die Lichtbehandlung. Im XV. Jahrhundert scheinen es vor allem holländische Künstler gewesen zu
sein, die auch nächtliche Szenen in ihren Darstellungskreis einbezogen: Aelbert van Ouwater,
Dirk Bouts und Geertgen tot Sint Jans. Von den südniederländischen Malern aber war Hugo van
der Goes ohne Zweifel derjenige, der den Erscheinungen des Lichtes am meisten Augenmerk
schenkte. Einflüsse des Holländers Dirk Bouts — die sich in den Werken mittleren Stils deutlich
Fig. 6. Hugo van der Goes, Anbetung der Hirten (Teilausschnitt).
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
bemerkbar machen — mögen dabei mitgewirkt haben. Hiefür ist vor allem das Mittelbild des
Portinari-Altars mit der Anbetung der Hirten bezeichnend. Wie auf diesem Gemälde, das man
in vieler Hinsicht die kühnste und vorgeschrittenste Leistung der niederländischen Malerei des
XV. Jahrhunderts nennen kann, das morgendliche Sonnenlicht von links oben hereinflutet und scharfe
Schlagschatten wirft, wie vor allem der oberhalb der Krippe schwebende Engel halb in Hellig-
keit und halb in Dunkel gehüllt ist, ist mit wahrhaft meisterlicher Naturtreue beobachtet und
wiedergegeben. Da es sich hier um ein Tagbild handelt, ist die strahlenspendende Wirkung des
nackten Kinderkörpers vor allem dekorativ angedeutet. Der blühende Leib aber ist so hell und
schattenlos gemalt, daß wir ihm die durch die Radialstrahlen angedeutete lichtspendende Kraft
sofort ansehen. Eine gleiche Meisterschaft der Lichtführung finden wir auf dem Stifterflügel in
Holvrood und auf der Berliner Anbetung der Hirten (Fig. 6), auf der die Gestalten wirklich von
Licht umflutet erscheinen. Diese Tagbilder stehen entwicklungsgeschichtlich auf der gleichen Stufe
der Lichtbehandlung wie das rekonstruierte Nachtbild der Geburt Christi. Da wir annehmen können,
xxxv. 6
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ähnlich auch auf der kleinen Epiphanie der Liechtensteingalerie und vor allem auf einer noch zu
besprechenden Geburt Christi, deren Komposition nur in graphischen Nachbildungen erhalten ist,
vorfindet.
Das Auffallendste an dieser altniederländischen Komposition der Geburt Christi ist jedenfalls
die Lichtbehandlung. Im XV. Jahrhundert scheinen es vor allem holländische Künstler gewesen zu
sein, die auch nächtliche Szenen in ihren Darstellungskreis einbezogen: Aelbert van Ouwater,
Dirk Bouts und Geertgen tot Sint Jans. Von den südniederländischen Malern aber war Hugo van
der Goes ohne Zweifel derjenige, der den Erscheinungen des Lichtes am meisten Augenmerk
schenkte. Einflüsse des Holländers Dirk Bouts — die sich in den Werken mittleren Stils deutlich
Fig. 6. Hugo van der Goes, Anbetung der Hirten (Teilausschnitt).
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum.
bemerkbar machen — mögen dabei mitgewirkt haben. Hiefür ist vor allem das Mittelbild des
Portinari-Altars mit der Anbetung der Hirten bezeichnend. Wie auf diesem Gemälde, das man
in vieler Hinsicht die kühnste und vorgeschrittenste Leistung der niederländischen Malerei des
XV. Jahrhunderts nennen kann, das morgendliche Sonnenlicht von links oben hereinflutet und scharfe
Schlagschatten wirft, wie vor allem der oberhalb der Krippe schwebende Engel halb in Hellig-
keit und halb in Dunkel gehüllt ist, ist mit wahrhaft meisterlicher Naturtreue beobachtet und
wiedergegeben. Da es sich hier um ein Tagbild handelt, ist die strahlenspendende Wirkung des
nackten Kinderkörpers vor allem dekorativ angedeutet. Der blühende Leib aber ist so hell und
schattenlos gemalt, daß wir ihm die durch die Radialstrahlen angedeutete lichtspendende Kraft
sofort ansehen. Eine gleiche Meisterschaft der Lichtführung finden wir auf dem Stifterflügel in
Holvrood und auf der Berliner Anbetung der Hirten (Fig. 6), auf der die Gestalten wirklich von
Licht umflutet erscheinen. Diese Tagbilder stehen entwicklungsgeschichtlich auf der gleichen Stufe
der Lichtbehandlung wie das rekonstruierte Nachtbild der Geburt Christi. Da wir annehmen können,
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