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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Baldass, Ludwig: Ein Frühwerk des Geertgen tot Sint Jans und die holländische Malerei des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0053
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Mabuses «Heilige Nacht», eine freie Kopie nach Hugo van der Goes.

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Meisterwerkes Mabuses rinden in Schöpfungen des Genter Meisters vom frühen Liechtensteinschen
Altärchen bis zu den Portinariflügeln und den Holyroodtafeln Parallelerscheinungen. Auf die
szenische Verwandtschaft von Gossaerts Epiphanie mit der freien Kopie des Monfortealtars in der
Wiener kaiserlichen Galerie und dem davon abgeleiteten Flügelaltar des Meisters von Frankfurt
in derselben Sammlung hat bereits Destree hingewiesen. Ich glaube also die Vermutung aussprechen
zu dürfen, daß Gossaert in der ersten Periode seiner Entwicklung nachhaltend von der großen
Kunst des Hugo van der Goes inspiriert worden ist. Den 1482 verstorbenen Meister hat er wohl sicher
nicht mehr persönlich gekannt. Vielleicht war er bei einem künstlerisch wenig hervorragenden
Schüler des Künstlers in der Lehre, der ihn auf die Werke seines Meisters hinwies. Vielleicht

Fig. 8. Nach Jan Gossaert (Mabuse), Gefangennahme Christi.
Dresden königliche Gemäldegalerie.

auch fühlte er sich durch die genialen Schöpfungen des Hugo van der Goes von selbst angezogen,
in ähnlicher Weise, wie der junge Quentin Massys sich eng an die Kunst des Dirk Bouts anschloß,
wie dies deutlich der Christophorus in Antwerpen beweist. So bleibt zwar der eigentliche Lehr-
meister des Jennyn van Hennegouwe wie bei so manchem altniederländischen Maler noch im
Dunkel, auf die Ableitung seiner Kunst aber fällt durch die Wiener Heilige Nacht ein Lichtstrahl.

Mit Mabuses Geburt Christi in Wien ist — wie bereits Bodenhausen bemerkt hatte — noch
ein anderes Werk durch starke stilistische Analogien verbunden: der Flügelaltar Nr. 841 mit der
Gefangennahme Christi in der Dresdener Galerie (Fig. 8). In diesem durch trüben Firnis und Schmutz
arg entstellten und daher auf die Erhaltung schwer prüfbaren Werk haben wir anscheinend nur eine
ziemlich mäßige alte Kopie eines südniederländischen Werkes vom Ende des XV. Jahrhunderts zu
erkennen. Verwandt ist vor allem die Lichtführung; aber auch die Engel, die Figuren der Häscher und
 
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