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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Glück, Gustav: Rubens' Liebesgarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0087
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Rubens' Liebesgarten.

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Blatt gezeichnet und herausgegeben. Der Ausdruck <delineavit», der freilich fast auf allen Holz-
schnitten Jeghers nach Rubens vorkommt, läßt kaum eine andere Auslegung zu; denn wenn nur
die dem Gemälde entlehnte Zeichnung gemeint wäre, so würde das Wort «invenit» genügt haben.
Es ist also wahrscheinlich, daß Rubens dem Holzschneider selbst die Zeichnung zu seinem Stock
geliefert hat. Nun sind uns in der Tat die Vorzeichnungen zu beiden Hälften des Schnittes im
Besitze Sir Charles Robinsons in London noch erhalten; im XVIII. Jahrhundert waren sie in der
berühmten Sammlung Mariettes gewesen. Wir kennen diese Blätter leider nicht aus eigener An-
schauung; aber selbst wenn das Urteil Max Rooses', der sie für die schönsten Zeichnungen hält,
die er von Rubens kenne,1 nicht
ganz zutreffen sollte, so möchten
wir nach einer mittelmäßigen
Abbildung eines dieser Blätter2
glauben, daß mindestens die
Hauptumrisse von Rubens her-
rühren, wozu etwa der Holz-
schneider die modellierenden
Töne hinzugefügt haben könnte,
weil man kaum annehmen darf,
Rubens habe in dieser seiner
vielbeschäftigten Zeit noch zu
einer so ausgeführten Zeichnung
die nötige Muße gefunden.

Wenn aber Rubens selbst
der Umdichter seiner eigenen
Komposition ist, so ist es kaum
glaubhaft, daß er dazu eine
Kompilation aus zwei Gemäl-
den notwendig gefunden hätte.
Wir müssen deshalb nach einer
andern Erklärung dieser Zusam-
menhänge suchen. Die Zeich-
nung zu dem Holzschnitt kann
ganz wohl mit alleiniger Be-
nützung des Madrider Bildes
entstanden sein. Für die rechte
Hälfte gilt dies ohne weiteres;

denn hier ist keine Einzelheit RUDens> Porträt des Künstlers mit seiner Frau Helene und seinem

, ,. , Töchterchen Clara Johanna,

vorhanden, die auf eine andere

Paris, Baron Alphonse Rothschild.

Fassung hinwiese. Aber auch auf

der linken Hälfte ist die Übereinstimmung mit dem Madrider Bilde sehr groß. Nur die drei
letzten Gestalten links zeigen eine wirklich bedeutende Verschiedenheit von den entsprechenden
Figuren rechts auf dem Madrider Gemälde. Ganz ähnlich bleibt noch die sich herabneigende
Dame; sie hält nur jetzt in der rechten Hand einen Fächer, während sie die Linke wie auf dem
Bilde (hier des Gegensinnes wegen die Rechte) der sitzenden Gefährtin überläßt. Völlig verändert ist
hingegen das letzte Paar: während auf dem Madrider Bilde beide ziemlich gleichgültig nebeneinander
stehen, beugt sich hier die Dame, wie auf dem Rothschildschen, zu ihrem Kavalier herab, der auf

1 Rubens-Bulletin V, Antwerpen 1910, p. 199: «G'est le plus beau dessin de Rubens que nous connaissions, un vrai
chef-d'ceuvre de gräce, de sürete de main et de delicatesse de touche».

2 Bei Rooses, Rubens, sa vie et ses Oeuvres, p. 589.

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