Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

DOI Artikel:
Glück, Gustav: Rubens' Liebesgarten
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0099
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rubens' Liebesgarten.

87

Wiener Galerie. Ein anderes Beispiel bietet uns das letzte Porträt Helenens, das wir, wenn
wir mit unseren Vermutungen Recht behalten, von Rubens' Hand kennen: das schöne Bild
bei Baron Alphonse Rothschild in Paris (Fig. 29). Hier erscheint sie im schwarzen Atlaskleide,
mit einem kleinen schwarzen toqueartigen Hut, umwallt von einem dunkeln Schleier, auf der
Treppe ihres Hauses, im Ausgehen begriffen, gefolgt von einem in Rot gekleideten etwa sechsjährigen
Knaben. Links blickt man auf die Straße, wo ein Wagen dahinfährt. Die Komposition hat etwas
Bewegtes, der lange Schleier scheint fast im Winde zu wehen und erhöht wird diese Wirkung
dadurch, daß die Gestalt des Kna-
ben ganz auf die rechte Seite des
Bildes gerückt und vom Bildrande
überschnitten erscheint. Dadurch
erhält man den Eindruck, daß
sich beide aus dem Hause hinaus
begeben; sie scheinen nicht zu
stehen sondern zu gehen. Ge-
rade diese Bewegtheit spricht für
die allerletzte Zeit des Künst-
lers und in der Tat muß das
Bild etwa im Jahre i63g entstan-
den sein. Denn der reizende Knabe
ist kein anderer als Frans, der
erste Sohn der zweiten Ehe (ge-
boren am 12. Juli i633), den wir
ja schon aus mehreren Bildern
kennen, und älter als etwa sechs
Jahre kann er nicht sein.1 Hier
zeigt er sich, wie schon auf den
anderen Porträten, seiner Mutter
auffallend ähnlich.

Zu diesem Bilde gibt es nun
in der Albertina zu Wien2 eine
in dem breiten Stil dieser späten
Zeit des Künstlers ausgeführte
Handzeichnung (Taf. XI), die Vor-
studie zu dem Gewände Helenens
und ihrer linken Hand. Obwohl
das Blatt recht groß ist — es
mißt 40-6 cm in der Höhe und
29 cm in der Breite —, ist es
doch nur ein Fragment; es scheint auf allen vier Seiten beschnitten zu sein; ursprünglich dürfte
die ganze Gestalt der jungen Frau samt dem wehenden Schleier dargestellt gewesen sein,
Kopf und Hals waren aber nur leicht angedeutet. Auf der Rückseite desselben Blattes findet
sich nun eine zweite Zeichnung (Taf. XII), die ebensosehr wie die erste durch die Beschnei-
dung, noch mehr aber durch Uberkritzlung von fremder Hand gelitten hat. Was wir heute
darauf sehen, ist die auch noch durch eine falsche Anstückung von der Stirn der Dargestellten

Fig. 32. Rubens, Susanna Fourment.
Paris, bei Baron Schlichting.

1 Wir geben hier — ausnahmsweise — Max Rooses gegen Wilhelm von Bode recht, der in dem Knaben den zweiten
Sohn aus erster Ehe, Nicolas, erkennen will, w-as aber schon wegen des Alters des Kindes nicht angeht.

- Den Zusammenhang zwischen Zeichnung und Bild hat zuerst Josef Meder in dem Text zu Nr. j32 seiner und
Schönbrunners Veröffentlichung der < Handzeichnungen alter Meister aus der Albertina und anderen Sammlungen» erkannt.
 
Annotationen