92
Gustav Glück.
120 und endlich ein drittes, das die Dargestellte in der Verkleidung einer Schäferin zeigte, auf
250 Gulden geschätzt war.1 Wenn Max Rooses das zuletzt genannte Porträt in dem Originale von
zwei im XVIII. Jahrhundert von W. Pether geschaffenen Schabblättern2 wiederzuerkennen glaubt,
so dürfte er wohl irren; denn dieses Brustbild einer jungen blonden Frauenperson mit entblößten
Brüsten, einem Strohhut auf dem Kopf und einem sehr steifen Blumensträußlein in der Hand
erinnert, selbst wenn man die Treue des Stechers nicht zu hoch anschlägt, weniger an Rubens'
Schöpfungen als an ähnliche Dar-
stellungen von blonden Schäfe-
rinnen, die wir von dem Hollän-
der Paulus Moreelse kennen. Auch
über drei Bildnisse Susannens,
die im Nachlasse des im Jahre
1657 verstorbenen Ehepaares Al-
bert Rubens und Clara Delmonte
erwähnt werden,3 erfahren wir zu
wenig, um uns danach eine klare
Vorstellung bilden zu können;
nur eines davon muß von bedeu-
tenderen Maßen gewesen sein, da
es als Kaminstück aufgehängt
war, wozu nur größere Gemälde
verwendet zu werden pflegten.
Nach allen diesen Nachrich-
ten vermögen wir uns keines der
genannten Bildnisse lebendig zu
vergegenwärtigen und es wäre
verwegen, eines der vorhandenen
Gemälde mit ihnen identifizieren
zu wollen. Trotzdem ist ein sol-
cher Versuch unternommen wor-
den, ohne den gebührenden Wider-
spruch zu erwecken: Max Rooses 4
hat in dem berühmten Frauen-
bildnis der Londoner National-
galerie (Fig. 34), das seltsamer-
weise bis auf unsere Tage den
Namen des «Chapeau de paille»
behalten hat, obwohl die Dame
einen großen Filzhut trägt, jenes
Porträt Susannens erkennen wollen,
das aus Rubens' Nachlaß um 3oo Gulden in den Besitz ihrer Schwester Helene übergegangen ist.
An Beweisen für diese Annahme, die so weit verbreitet ist, daß das schöne Bild seither allgemein
als Porträt Susannens gilt, fehlt es völlig. Sicher ist, daß es im XVIII. Jahrhundert und bis zum
Jahre 1817 der Familie Lunden gehört hat. Dies spricht gegen jene Identifizierung; denn wie
36. Rubens, Porträt einer Dame.
Windsor, königl. Schloß.
1 Max Rooses, L'Oeuvre de Rubens IV, p. 178.
2 Max Rooses, a. a. O. IV, p. 182, Nr. 953.
3 «Item de tvvee contrefeytsels van de moeder van Mevrouwe saliger.» — «Item een schilderye voor de schouwe vvesende
het portraict van de grootmoeder Joffrouwe Susanna del Monte.» (Rubens-Bulletin V [Antwerpen 1897], p. 24 und 29.)
4 L'Oeuvre de Rubens IV, p. 178.
Gustav Glück.
120 und endlich ein drittes, das die Dargestellte in der Verkleidung einer Schäferin zeigte, auf
250 Gulden geschätzt war.1 Wenn Max Rooses das zuletzt genannte Porträt in dem Originale von
zwei im XVIII. Jahrhundert von W. Pether geschaffenen Schabblättern2 wiederzuerkennen glaubt,
so dürfte er wohl irren; denn dieses Brustbild einer jungen blonden Frauenperson mit entblößten
Brüsten, einem Strohhut auf dem Kopf und einem sehr steifen Blumensträußlein in der Hand
erinnert, selbst wenn man die Treue des Stechers nicht zu hoch anschlägt, weniger an Rubens'
Schöpfungen als an ähnliche Dar-
stellungen von blonden Schäfe-
rinnen, die wir von dem Hollän-
der Paulus Moreelse kennen. Auch
über drei Bildnisse Susannens,
die im Nachlasse des im Jahre
1657 verstorbenen Ehepaares Al-
bert Rubens und Clara Delmonte
erwähnt werden,3 erfahren wir zu
wenig, um uns danach eine klare
Vorstellung bilden zu können;
nur eines davon muß von bedeu-
tenderen Maßen gewesen sein, da
es als Kaminstück aufgehängt
war, wozu nur größere Gemälde
verwendet zu werden pflegten.
Nach allen diesen Nachrich-
ten vermögen wir uns keines der
genannten Bildnisse lebendig zu
vergegenwärtigen und es wäre
verwegen, eines der vorhandenen
Gemälde mit ihnen identifizieren
zu wollen. Trotzdem ist ein sol-
cher Versuch unternommen wor-
den, ohne den gebührenden Wider-
spruch zu erwecken: Max Rooses 4
hat in dem berühmten Frauen-
bildnis der Londoner National-
galerie (Fig. 34), das seltsamer-
weise bis auf unsere Tage den
Namen des «Chapeau de paille»
behalten hat, obwohl die Dame
einen großen Filzhut trägt, jenes
Porträt Susannens erkennen wollen,
das aus Rubens' Nachlaß um 3oo Gulden in den Besitz ihrer Schwester Helene übergegangen ist.
An Beweisen für diese Annahme, die so weit verbreitet ist, daß das schöne Bild seither allgemein
als Porträt Susannens gilt, fehlt es völlig. Sicher ist, daß es im XVIII. Jahrhundert und bis zum
Jahre 1817 der Familie Lunden gehört hat. Dies spricht gegen jene Identifizierung; denn wie
36. Rubens, Porträt einer Dame.
Windsor, königl. Schloß.
1 Max Rooses, L'Oeuvre de Rubens IV, p. 178.
2 Max Rooses, a. a. O. IV, p. 182, Nr. 953.
3 «Item de tvvee contrefeytsels van de moeder van Mevrouwe saliger.» — «Item een schilderye voor de schouwe vvesende
het portraict van de grootmoeder Joffrouwe Susanna del Monte.» (Rubens-Bulletin V [Antwerpen 1897], p. 24 und 29.)
4 L'Oeuvre de Rubens IV, p. 178.