Ruhens' Liebesgarten.
93
sollte das wertvolle Gemälde aus dem Besitze Helenens, die selbst Erben, Kinder und Nach-
kommen hatte, in den der Familie Lunden gelangt sein?
Vergleichen wir es aber nun mit den Porträten, in denen wir — im Anschluß an denselben
Forscher — Susanna glaubten erkennen zu können, besonders mit dem im Louvre, so kommen wir
auch zu einem verneinenden Ergebnis. Statt der zarten Blondine mit den hellblauen Augen sehen
wir hier eine ausgesprochene Brünette mit kastanienbraunem Haar, tiefblauen Augen und ziemlich
kräftigen Zügen. Auch das Oval des Gesichtes ist mehr länglich, die Nase länger, doch weniger
fein, die Stirne, soweit wir sehen
können, nicht so hoch; eine ge-
wisse oberflächliche Ähnlichkeit
ergeben nur das spärliche Haar
und die großen Augen, die aber
hier noch auffallender sind als
auf jenen Bildnissen. Kurz, wir
halten die auf dem Bilde der
Londoner Nationalgalerie Dar-
gestellte für eine ganz andere
Person. Auch die Entstehung
des Bildes darf nicht in das
Jahr 1620 angesetzt sondern muß
in die Zeit nach i63o, ja viel-
leicht in die allerletzte Schaffens-
periode des Künstlers verlegt wer-
den ; dafür sprechen die höchst
vollendete, breite, farbige Behand-
lung sowohl der Halbfigur als
auch des den Hintergrund bil-
denden kräftig hingestrichenen
Wolkenhimmels. Wer die Dar-
gestellte ist, vermögen wir nicht
zu sagen. In Rubens' Nachlaß
wird einBildnis einer jungen Dame
mit den Armen kreuzweise über-
einander erwähnt, durch welche
Beschreibung die Haltung der
jungen Frau vortrefflich bezeich-
net wird. Mit diesem Gemälde
wird wohl das Londoner iden-
tisch sein; und in Bezug auf
die Dargestellte wollen wir nicht klüger sein als der Verfasser des Inventars von Rubens' Nach-
laß, der ihren Namen auch nicht zu kennen scheint.
Unter den Porträten Susannens wird von Rooses ebenso sehr mit Unrecht wie das eben-
genannte Bild ein schönes stattliches Gemälde der Ermitage zu Petersburg (Fig. 35) angeführt: das
lebensgroße Bildnis einer prächtig gekleideten jungen Dame, die ihr etwa anderthalb Jahre altes
Töchterchen, das auf dem Haupte einen Stirnwulst trägt, an den Händen hält. Wenn wir dieses
Bild als das Susannens ansehen wollten, so müßten wir Helenens Schwester in jeder jungen Frau
mit hoher Stirn und ziemlich großen Augen wiedererkennen. Ähnlichkeit ist hier nicht im geringsten
vorhanden, weder mit dem sogenannten «Chapeau de paille» noch mit jener Gruppe von Bildern,
in denen unserer Meinung nach wirklich Susanna dargestellt ist. Fast müßig ist es zu sagen, daß
Fig. 37.
Rubens, Porträt einer Dame.
Haag, Mauritshuys.
93
sollte das wertvolle Gemälde aus dem Besitze Helenens, die selbst Erben, Kinder und Nach-
kommen hatte, in den der Familie Lunden gelangt sein?
Vergleichen wir es aber nun mit den Porträten, in denen wir — im Anschluß an denselben
Forscher — Susanna glaubten erkennen zu können, besonders mit dem im Louvre, so kommen wir
auch zu einem verneinenden Ergebnis. Statt der zarten Blondine mit den hellblauen Augen sehen
wir hier eine ausgesprochene Brünette mit kastanienbraunem Haar, tiefblauen Augen und ziemlich
kräftigen Zügen. Auch das Oval des Gesichtes ist mehr länglich, die Nase länger, doch weniger
fein, die Stirne, soweit wir sehen
können, nicht so hoch; eine ge-
wisse oberflächliche Ähnlichkeit
ergeben nur das spärliche Haar
und die großen Augen, die aber
hier noch auffallender sind als
auf jenen Bildnissen. Kurz, wir
halten die auf dem Bilde der
Londoner Nationalgalerie Dar-
gestellte für eine ganz andere
Person. Auch die Entstehung
des Bildes darf nicht in das
Jahr 1620 angesetzt sondern muß
in die Zeit nach i63o, ja viel-
leicht in die allerletzte Schaffens-
periode des Künstlers verlegt wer-
den ; dafür sprechen die höchst
vollendete, breite, farbige Behand-
lung sowohl der Halbfigur als
auch des den Hintergrund bil-
denden kräftig hingestrichenen
Wolkenhimmels. Wer die Dar-
gestellte ist, vermögen wir nicht
zu sagen. In Rubens' Nachlaß
wird einBildnis einer jungen Dame
mit den Armen kreuzweise über-
einander erwähnt, durch welche
Beschreibung die Haltung der
jungen Frau vortrefflich bezeich-
net wird. Mit diesem Gemälde
wird wohl das Londoner iden-
tisch sein; und in Bezug auf
die Dargestellte wollen wir nicht klüger sein als der Verfasser des Inventars von Rubens' Nach-
laß, der ihren Namen auch nicht zu kennen scheint.
Unter den Porträten Susannens wird von Rooses ebenso sehr mit Unrecht wie das eben-
genannte Bild ein schönes stattliches Gemälde der Ermitage zu Petersburg (Fig. 35) angeführt: das
lebensgroße Bildnis einer prächtig gekleideten jungen Dame, die ihr etwa anderthalb Jahre altes
Töchterchen, das auf dem Haupte einen Stirnwulst trägt, an den Händen hält. Wenn wir dieses
Bild als das Susannens ansehen wollten, so müßten wir Helenens Schwester in jeder jungen Frau
mit hoher Stirn und ziemlich großen Augen wiedererkennen. Ähnlichkeit ist hier nicht im geringsten
vorhanden, weder mit dem sogenannten «Chapeau de paille» noch mit jener Gruppe von Bildern,
in denen unserer Meinung nach wirklich Susanna dargestellt ist. Fast müßig ist es zu sagen, daß
Fig. 37.
Rubens, Porträt einer Dame.
Haag, Mauritshuys.