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Gustav Glück.
das Bild der Tracht nach nicht um i63o entstanden sein kann und daß das Kindchen, das nach
Rposes' Meinung Susannens 1625 gebornes Töchterchen Katherine vorstellt, hier nicht fünf sondern
höchstens anderthalb Jahre alt ist. Was aber das Wichtigste ist: der Maler des Bildes ist, wie schon
Bode hervorgehoben hat, nicht Rubens sondern Van Dyck, der es um 1623 in Antwerpen gemalt
haben dürfte, etwa gleichzeitig mit jenem prächtigen Porträt Isabella Brants, das dieselbe berühmte
Sammlung ziert.
Dem lebhaften Interesse für Rubens' gewinnende, überaus liebenswerte Persönlichkeit entspringt
wohl die — ähnlich wie bei Rembrandt — bis in die neueste Zeit herrschend gebliebene
Neigung, in den Frauengestalten
seiner Gemälde und Bildnisse Por-
träte seiner Familienmitglieder zu
entdecken. Ein deutscher Schrift-
steller des XIX. Jahrhunderts hat
es sogar — zur Belustigung Theo-
phile Thores
weit ge-
bracht, in einem Bilde von Ru-
bens dessen drei Frauen zu
entdecken. Wir sind heute vor-
sichtiger geworden und dürfen
nicht vergessen, daß Rubens auch
manche Bildnisse heute unbekann-
ter Personen gemalt haben muß;
in den Verzeichnissen von Rubens'
Nachlaß kommt mehr als ein hal-
bes Dutzend von solchen Porträ-
ten namenloser Damen vor. Als
heute noch vorhandene Beispiele
dieser Art mögen das bald als Isa-
bella Brant, bald als Helene Four-
ment bezeichnete Bildnis einer
nach links gewendeten jungen,
blonden Frau mit Myrthen im
Haare im Schlosse zu Windsor
(Fig. 36), das, wie wir glauben,
irrtümlich Helene Fourment ge-
nannte Porträt einer etwa 3o bis
40 Jahre alten Frau mit dicken
blonden Flechten, einem schwar-
zen Samtbarett mit weißer Feder
und Blumen in der Hand, im
Mauritshuys im Haag2 (Fig. 37) und etwa noch das Ovalbild einer schwarzhaarigen Dame mit
Handschuhen in der Hand in der Wiener Galerie (Fig. 38) genannt sein. Ob man sich unter diesen
Frauen Familienangehörige des großen Meisters denken kann, das möchten wir der Einbildungskraft
der Beschauer überlassen wissen.
Fig. 38. Rubens, Porträt einer Dame.
\Vienf Gemäldegalerie.
1 W. Bürger, Tresors d'art en Angleterre, 3 rae ed., Paris 1865, p. ig 1 und 194.
2 In der Sammlung G. van Slingelandts (G. Hoet, Catalogus II, 4o3) war es noch namenlos. Erst im Kabinett des
Prinzen von Oranien (Terwesten, Catalogus, p. 707) galt es als Rubens' zweite Frau und als Gegenstück zu dem Porträt
Isabella Brants (heute ebenfalls im Haag). Vielleicht ist es identisch mit dem in Rubens' Nachlaß (Nr. 102) erwähnten Bild-
nis einer jungen Dame mit schwarzer Mütze auf dem Kopf und Blumen in der Hand.
Gustav Glück.
das Bild der Tracht nach nicht um i63o entstanden sein kann und daß das Kindchen, das nach
Rposes' Meinung Susannens 1625 gebornes Töchterchen Katherine vorstellt, hier nicht fünf sondern
höchstens anderthalb Jahre alt ist. Was aber das Wichtigste ist: der Maler des Bildes ist, wie schon
Bode hervorgehoben hat, nicht Rubens sondern Van Dyck, der es um 1623 in Antwerpen gemalt
haben dürfte, etwa gleichzeitig mit jenem prächtigen Porträt Isabella Brants, das dieselbe berühmte
Sammlung ziert.
Dem lebhaften Interesse für Rubens' gewinnende, überaus liebenswerte Persönlichkeit entspringt
wohl die — ähnlich wie bei Rembrandt — bis in die neueste Zeit herrschend gebliebene
Neigung, in den Frauengestalten
seiner Gemälde und Bildnisse Por-
träte seiner Familienmitglieder zu
entdecken. Ein deutscher Schrift-
steller des XIX. Jahrhunderts hat
es sogar — zur Belustigung Theo-
phile Thores
weit ge-
bracht, in einem Bilde von Ru-
bens dessen drei Frauen zu
entdecken. Wir sind heute vor-
sichtiger geworden und dürfen
nicht vergessen, daß Rubens auch
manche Bildnisse heute unbekann-
ter Personen gemalt haben muß;
in den Verzeichnissen von Rubens'
Nachlaß kommt mehr als ein hal-
bes Dutzend von solchen Porträ-
ten namenloser Damen vor. Als
heute noch vorhandene Beispiele
dieser Art mögen das bald als Isa-
bella Brant, bald als Helene Four-
ment bezeichnete Bildnis einer
nach links gewendeten jungen,
blonden Frau mit Myrthen im
Haare im Schlosse zu Windsor
(Fig. 36), das, wie wir glauben,
irrtümlich Helene Fourment ge-
nannte Porträt einer etwa 3o bis
40 Jahre alten Frau mit dicken
blonden Flechten, einem schwar-
zen Samtbarett mit weißer Feder
und Blumen in der Hand, im
Mauritshuys im Haag2 (Fig. 37) und etwa noch das Ovalbild einer schwarzhaarigen Dame mit
Handschuhen in der Hand in der Wiener Galerie (Fig. 38) genannt sein. Ob man sich unter diesen
Frauen Familienangehörige des großen Meisters denken kann, das möchten wir der Einbildungskraft
der Beschauer überlassen wissen.
Fig. 38. Rubens, Porträt einer Dame.
\Vienf Gemäldegalerie.
1 W. Bürger, Tresors d'art en Angleterre, 3 rae ed., Paris 1865, p. ig 1 und 194.
2 In der Sammlung G. van Slingelandts (G. Hoet, Catalogus II, 4o3) war es noch namenlos. Erst im Kabinett des
Prinzen von Oranien (Terwesten, Catalogus, p. 707) galt es als Rubens' zweite Frau und als Gegenstück zu dem Porträt
Isabella Brants (heute ebenfalls im Haag). Vielleicht ist es identisch mit dem in Rubens' Nachlaß (Nr. 102) erwähnten Bild-
nis einer jungen Dame mit schwarzer Mütze auf dem Kopf und Blumen in der Hand.