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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Glück, Gustav: Rubens' Liebesgarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0108
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Gustav Glück.

demselben Worte «conversatie» werden auch in Antwerpener Inventaren des XVII. Jahrhunderts
ähnliche Arbeiten 1 seiner vlämischen Zeitgenossen und Nachahmer, wie Simon de Vos und Christoph
van de Lamen, ja auch sogar einmal eine Kopie nach einem Gesellschaftsbild des Holländers
Palamedes bezeichnet. Der Prosa dieses Vorwurfs hat aber Rubens, der nicht anders als in
gebundener Rede zu erzählen wußte, einen unerhört poetischen Schwung und einen ganz neuen
Schimmer persönlichen Erlebnisses verliehen. Wie er ein Jahrzehnt vorher die nüchternen Staats-
aktionen des Medici-Zyklus mit dem Zauber allegorischer und antikischer Gestalten umkleidet und
dadurch zur Höhe seiner künstlerischen Erzählungsform emporgehoben hatte, so ist es hier die

Schar von reiz- und lebens-
vollen nackten Amoretten, die
den Gegenstand in das Gebiet
des allgemein gültigen Reiches
der Liebe und damit in das
des poetisch Typischen verlegt.
Es ist nicht mehr eine zufällige
Unterhaltung von Herren und
Damen sondern ein Fest der
Liebe schlechthin.

Einen andern Zauber, den
des persönlichen Erlebnisses, ver-
lieh er aber dem herrlichen
Werke dadurch, daß er die übri-
gen Gestalten, die es bevölkern,
seinem nächsten Kreise von Ver-
wandten und Freunden entnahm.
Wenn man ein Recht hat, in
der einen Dame Susanna wieder-
zuerkennen, so wird man sicher-
lich in den übrigen Frauen-
zimmern auch Schwestern oder
Verwandte Helenens erkennen
dürfen, was man schon lange
wegen ihrer auffallenden Ähn-
lichkeit mit Rubens' zweiter Frau
angenommen hat. Ihre Züge
haben sehr viel Gemeinsames,

Fig. 3q. Rubens, Ausschnitt aus dem «Liebesgarten». , r ... .,

aber fast in jeder von ihnen

Madrid, Prado.

spricht sich eine andere Art

weiblichen Temperamentes aus.2 Noch individueller sind die Männer gebildet und bei ihnen kann
es keinem Zweifel unterliegen, daß es Porträte lebender Personen sind. Dabei wird man auch
in erster Linie an Rubens' Schwäger zu denken haben. Nun aber, fragt man sich, sollte auf

1 Einige Beispiele seien hier aus der Urkundensammlung des Antwerpsch Archievenblad angeführt: «Een conversatie
van Rubens, op panneel, in lystken» (Nachlaß Victor Wolfvoets 1652, XXI, 379). — «Een conversatie van Rubens op
pineel» (1657, XXI, 43o). — »Conversatie, naer Rubens» (Nachlaß Erasmus Quellinus' 1678, XXII, 10). — «Een conversatie
van Simon de Vos» (1657, XXI, 43o). — «Een conversatie, van vander Lanen» (1657, XXI, 43o). — «Een conversatie,
van Yv'outers, op panneel, in lystken» (Nachlaß Wolfvoets 1652, XXI, 368). — «Een lantschap, een conversatie van jouffrouwen»
und «Een lantschap, synde een conversatie van boerinnen» (Nachlaß Jeremias Wildens' 1653, XXI, 386 und 388). — «Een
conversatie van jouffrouwen, naer Palemedes» (1661, XXI, 43g).

3 Eine von diesen Damen, die linke der dreieckigen Mittelgruppe, kehrt unverkennbar wieder auf dem reizvollen,
offenbar zur Zeit des Liebesgartens entstandenen Bilde der heiligen Magdalena in der Galerie zu Dulwich. Mit Unrecht hat
hier Rooses die Züge Helenens zu erkennen geglaubt.
 
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